Surrender to the desert – Naturtherapie in Ägypten


Pauline PickerText / Fotos

Feature

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Mir entfährt ein kurzer Schrei. Nervös fummle ich im Schlafsack nach meiner Stirnlampe und richte mich auf. Mir ist doch gerade etwas übers Gesicht gehuscht, oder nicht?! Ich denke an die Skorpione, Schlangen und anderen Lebenskünstler, die hier in der ägyptischen Wüste wohnen. Mein Blick fällt auf eine flatternde Plastiktüte, die sich im Gestein hinter mir verfangen hat. Aha. Nicht die Natur hat mich also „angegriffen“, sondern die Zivilisation. Das KAILO Naturtherapie Retreat wird genau das für mich verbinden – Zivilisation und Wildnis, Abenteuer und Entspannung, Gemeinschaft und Einkehr.

Getrieben vom Wind

Mein Herzschlag beruhigt sich und ich schaue mich um. Meine Augen gewöhnen sich schnell an die Dunkelheit, als ich das künstliche, rote Nachtlicht ausschalte. Es ist die erste Nacht, die wir als Gruppe im Sand biwakieren. Ich sehe einige der anderen Teilnehmenden in ihren Kokons aus Decken und Kissen in kleinen Felsvorsprüngen liegen. Die Wolken rennen am Himmel, geben ab und an den Blick auf Unmengen von Sternen frei. Seit dem Morgen jagt uns ein unerbittlicher, trockener Wind, der sich hier im Canyon in den Felswänden verfängt und das Gestein aufheulen lässt. Ein bisschen wie Meeresrauschen, versuche ich mir einzureden. Aber weitaus weniger beruhigend, wenn ich ehrlich bin. Noch fühle ich mich fremd. Schutzlos. Verletzlich. Noch scheint es mir undenkbar, dass ich schon bald Heimweh nach diesem Ort verspüren sollte.

Raum für Stille

Als der Kaffee am nächsten Morgen über dem Lagerfeuer köchelt, blicke ich in verquollene Augen. Wir sind zu acht, niemand aus der Gruppe kannte sich vorher. Noch sitzen wir in Stille, jeder hängt den eigenen Gedanken und wirren Träumen der unruhigen Nacht nach – und dennoch, ein Gefühl der Verbundenheit flimmert bereits zwischen uns. Es beschleicht mich der Eindruck, dass keiner von uns so recht wusste, worauf er sich hier eigentlich eingelassen hat. Ich vielleicht am allerwenigsten, war ich doch nur unbedacht einer Einladung gefolgt. Wir schlafen zwei Nächte in der Wüste, hieß es. Danach verbringen wir fünf Tage in einer Villa an der Lagune. Entdecken die Wüste, gehen schnorcheln, kochen gemeinsam. „Schön“, dachte ich. Und mehr auch nicht. Doch bereits die ersten beiden Tage verrieten, dass das hier so viel mehr sein würde.

»Nenne es Selbsterfahrung und -entdeckung, nenne es Therapie oder Coaching, nenne es Persönlichkeitsentwicklung, nenne es eine Heil-Reise oder spirituelle Reise. Was es für dich ist, bestimmst du selbst.«
– Olivia

Eintauchen in die Systemische Naturtherapie

Unser Retreat-Host Olivia schaut sanft in die Runde, fragt nach unserem Befinden, öffnet den Raum. Eine zarte Frau in großem Hoodie, mit noch größerem Lächeln. Sie hat diese Reise initiiert und mit dem starken Claim „Journey to yourself“ betitelt. Gutes Marketing? Eine hohle Versprechung? Oder gar eine Drohung? Olivia würde sagen ─ eine Einladung. Als systemische Naturtherapeutin nutzt sie die Kraft der Natur, um Menschen zu mehr Verbindung mit sich selbst – und ihren Mitmenschen – zu führen. Später verstehe ich, dass diese reizarme, fast feindliche Wüstenlandschaft, dafür das perfekte Setting ist.

Was bedeutet Systemische Naturtherapie?Was bedeutet Systemische Naturtherapie?

Facetten der Monotonie

Am Anfang nehme ich vor allem die Gleichförmigkeit dieser mir neuen Umgebung wahr. Stein, Geröll, Felsen, Sand. Dazwischen verdorrtes Gestrüpp. Monoton und monochrom. Kein plätschernder Gebirgsbach, kein fröhliches Vogelgezwitscher, kein Rauschen der Baumkronen. Ich bin im Widerstand. Ich mag es kühl, waldig, skandinavisch. Was zur Hölle tue ich hier, an diesem mir so unbehaglichen Ort? Doch als ich beschließe, mich darauf einzulassen, zieht mich die Wüste fast magisch an. Ich erkenne ihre Details und Farbnuancen. Körnungen und Schattierungen. Sehe die Muscheln und Korallenformationen, die von ihrer Vergangenheit als Ozean erzählen. Entdecke kleine Gewächse und Sträucher. Leben. Direkt daneben weiße Schädelknochen. Tod. Die tiefstehende Sonne wirft unsere Schatten wie lange Baumstämme in den Sand. Am unendlich weiten Himmel ruht ihr gegenüber sanft der Mond. Dualität.

Embodiment – Emotionen verkörpern

Es wird eine Woche voller Kontraste. Nach drei eindrücklichen Tagen in der Wüste, an denen wir alle Mahlzeiten über dem Feuer kochen, im Sand tanzen, durch den Canyon klettern, wechseln wir in unsere Villa im urbanen El Gouna. Auch dort tanzen wir ─ am Pool, auf dem Dach, einmal sogar in einer Diskothek. Der meditative freie Ausdruckstanz zu einer bestimmten Abfolge verschiedenartiger Songs ist eines der vielen therapeutischen Werkzeuge Olivias und schlängelt sich wie ein roter Faden durch unsere Reise. Jeder tanzt für sich allein – und doch verbindet uns die Bewegung zu einer Gruppe, einer Einheit. Neben all den Gesprächsrunden, all den Gruppen- und Einzelsessions, all dem Finden von Worten für bisher Ungesagtes – wird der tägliche Tanz für mich zu einem der kraftvollsten Mittel, meinen Emotionen Raum zu geben.

Mit welchen Elementen arbeitet Olivia bei KAILO Naturtherapie Retreats?Mit welchen Elementen arbeitet Olivia bei KAILO Retreats?

Salziges Wasser

Den vorletzten Tag verbringen wir auf dem Meer. Wir balancieren auf dem schaukelnden Boot und nehmen die Wellen in uns auf. Eine Delfin-Schule spielt um uns herum, vor der Küste tummeln sich unzählige bunte Kites. Mein besonderes Highlight: beim Schnorcheln umringt mich ein großer Schwarm Zebrafische. Noch nie durfte ich eine so prachtvolle Unterwasserwelt bewundern! Riesige Muscheln, die wie sprechende Münder nach Nahrung filtern. Bunte Fische, kleine und große, denen ich in Gedanken witzige Fantasienamen gebe. Sogar ein einsamer Rochen mit blaugepunktetem Rücken schwebt unter mir hindurch. Vor lauter Begeisterung kann ich gar nicht ruhig atmen, fühle mich wie ein Kind. Nein – wie ein Fisch im Wasser. Tränen der Freude vermischen sich mit dem salzigen Meer. In Verbindung gehen.

Das Leuchten der Nacht

Zum Abschluss der Reise fahren wir noch einmal gemeinsam in die Wüste. Obwohl uns dieser Tag zur freien Verfügung steht, haben wir alle das Bedürfnis, noch einmal in „unser Zuhause“ zurückzukehren. Auf den Dächern der Jeeps reiten wir tiefer in den Canyon, klettern Felswände empor und kraxeln über rollendes Gestein – bis wir auf einem anderen Planeten landen. Die Weite verschlägt mir den Atem. So viel Nichts. In meinem Kopf ist ein Vakuum, meine Gedanken haben nichts, woran sie sich festhalten können. Ich beginne zu rennen. Für eine gefühlte Ewigkeit färbt sich der endlose Himmel in den wildesten Farbtönen des Sonnenuntergangs, um dann endlich vom Samtblau der Nacht abgelöst zu werden. Doch diese Nacht in der Wüste ist nicht dunkel, im Gegenteil. Das milchige Licht des Mondes wird vom Sand reflektiert und lässt es fast erscheinen, als stünden wir inmitten einer verschneiten Ebene. Wir werfen Schatten in den Sand. Mondschatten.

Und noch einmal tanzen wir. Am Lagerfeuer spielt einer der Berber zu orientalischen Klängen auf der Laute. Wir lassen die Trommel zwischen uns wandern, bis wir erschöpft von den Eindrücken dieses Tages, dieser Woche, dieser Reise, auf einen der gewebten Teppiche fallen. Hand in Hand schauen wir in das unendliche Sternenzelt. So viel Weite. Um uns. In uns. Wir finden keine Worte, stumm streifen sich unsere Blicke. In den glasigen Augen liegt Wärme, Vertrauen, Liebe. Dankbarkeit für diese Erfahrung.

Naturtherapie – Surrender to the journey

Für Gipfelbesteigungen kann man trainieren. Auf einen Marathon hinarbeiten. Das Überleben in der Wildnis lernen. Aber wie soll man sich darauf vorbereiten, die eigene Rüstung abzulegen, um die ganz persönlichen Sorgen und Ängste mit einer Gruppe Fremder zu teilen? Wie kann man sich der furchteinflößenden Situation stellen, dem Gegenüber wortlos tief in die Augen zu schauen, bewusst gemeinsam zu atmen, und das Tor zur eigenen Seele einen Spalt zu öffnen? Ich glaube: indem man jeden Einzelnen als einen Anteil von sich selbst akzeptiert, als Spiegel der eigenen Ängste und Trigger. Indem man hinsieht, statt wegzusehen. Annimmt, statt abzulehnen. Erkennt, dass die Wüste das Meer war. Dass der Mond die Sonne reflektiert. Dass Dualität auch Einheit bedeutet. Und dass wir alle diese Reise gemeinsam bestreiten.

»Die „Journey to yourself“ in Ägypten war genau das ─
eine Reise ins Innere. Eine Reise, die mich nicht nur näher zu meinem wahren Kern brachte, sondern auch mit wundervollen Menschen in Kontakt treten ließ. Olivia hat hier ein unglaublich stimmiges Konzept geschaffen ─ über die Naturerfahrung, den Tanz, bis zu den Gruppenübungen beinhaltet es alles, was es für den Heilungsprozess braucht. Sie hat sich jeden Tag individuell auf uns als Gruppe eingestellt, um uns genau die Angebote zu machen, die wir in dem Moment benötigten. Wenn sich etwas gelöst hat, war sie da, hielt den Raum (und uns). Sie hat die Gabe, sachte zu lenken, ohne forcierend einzugreifen.«
Teilnehmerin Sarah

KAILO Nature Therapy wurde von Olivia gegründet, um Menschen auf dem Weg der inneren Heilung und des persönlichen Wachstums zu begleiten – mit Hilfe der Natur. Sie arbeitet mit verschiedensten Gruppen im brandenburgischen Wald, in der ägyptischen Wüste oder an den Stränden Griechenlands. Das nächste “Journey to Yourself” Retreat findet im März ’24 in Ägypten und das „Children of the Sea“ Retreat im Oktober ’24 in Griechenland statt. Bei letzterem wird gemeinsam für 6 Tage biwakiert, gewandert, erkundet und systemisch gearbeitet.

Durftet ihr auch schon Erfahrungen mit Naturtherapie sammeln? Dann schreibt es in die Kommentare und teilt eure Impulse mit der Community!

Ihr möchtet wissen, wie ihr die Kraft der Natur auch Zuhause nutzen könnt? Dann schaut euch doch zum Beispiel unseren Artikel über das entspannende Waldbaden an!

Über die Autor:in

Pauline Picker

Ob als Guide für Huskytouren bei -30°C im norwegischen Tiefschnee oder als Yogalehrerin im schwül-heißen Sri Lanka – Female Explorer Lektorin Pauli findet immer eine spannende Herausforderung auf ihren Reisen. Nach umfassender Solo-Backpacking-Expertise erobert sie sich jetzt mit ihrem T5 Transporter Pancake das Vanlife-Paradies.

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