Mit Van und Hund auf den Lofoten, Andøya & Senja


Pauline PickerText / Fotos

Schwere Wolken stürzen wie riesige Wellenkämme über schroffe Gipfel, als sich die Mitternachtssonne ihren Weg in den tiefen Fjord bahnt. Es ist drei Uhr nachts und meine Zehen wackeln im weißen Sand, als ich das Schauspiel beobachte. Nordnorwegen im Sommer gleicht einem skandinavischen Märchen ─ aber einem gut besuchten. Von Mitte Juni bis Mitte Juli habe ich die nordnorwegische Insel-Welt rund um die Lofoten mit dem Van und meinem Hund erkundet und dabei unvergessliche Eindrücke, aber auch unangenehme Einsichten gesammelt.

Lofoten mit dem Van – lohnt sich das?

Ein ganz klares „JA, aber…“. Die Lofoten sind nicht umsonst absoluter Touristinnen-Hot-Spot und Traumziel vieler Norwegen-Fans. Steile grüngraue Bergkämme, in denen düstere Wolkenfetzen hängen, kombiniert mit dem unwirklichen Karibik-Feeling weißer Sandstrände und türkisblauen Wassers, dazu die malerischen Fischerhäuschen im typischen Falun-Rot, Maisgelb oder Taubenblau.

Genau dieser Mix aus Skandi-Romantik, ungezähmter Wildheit und gefälligem Urlaubs-Vibe lässt Tourist:innen auf die kleine Inselgruppe strömen. Dabei sind die Lofoten in meinen Augen eigentlich ziemlich „unnorwegisch“, denn im Vergleich zum Rest des Landes (nur 5,4 Mio. Einwohner:innen auf eine Fläche, die etwas größer ist als Deutschland) ist dort alles sehr kleinteilig und eng. Die kaum befahrenen Straßen durch endlose Fjells, die ich aus anderen Regionen des Landes kenne und liebe, tauscht man auf den Lofoten unabdingbar gegen Wohnmobil-Kolonnen, Verkehrsstaus und nervige Parkplatzsuche. Einige Dörfchen scheinen gar nur für Tourist:innen angelegt und entbehren jeder Authentizität, zum Beispiel das ehemalige Fischerdorf Nusfjord, für dessen Besuch sogar Eintritt verlangt wird.

„Schlafen kannst du im Winter“

Diesen Satz meinen Menschen, die oberhalb des Polarkreises leben, absolut ernst. Bei fast neun Monaten Winter und der magischen, aber auch düsteren Polarnacht, wird buchstäblich jede Minute der heiß ersehnten Polartage genutzt. Oft wird bis spät in die (nicht vorhandene) Nacht geplaudert, getrunken, gespielt oder einfach nur die Mitternachtssonne genossen. An den bekannten Surf-Spots der Lofoten, z. B. dem Lofoten Beach Camp, wird im Prinzip 24/7 gesurft – im Schein der tiefstehenden nächtlichen Sonne eine richtig gute Welle zu erwischen, ist ein einzigartiges Erlebnis.

Auch wenn es den eigenen Bio-Rhythmus ganz schön durcheinanderbringen kann, lässt sich die ständige Helligkeit wunderbar nutzen, um hoch frequentierte Spots doch für sich allein zu haben: Warum die Wanderung nicht erst um 23:00 Uhr starten, wenn die meisten Hiker:innen bereits wieder geduscht im Campingstuhl sitzen? Warum die Wohnmobil-Kolonne nicht vermeiden, in dem man einfach nachts fährt und die Landschaft bestaunt und tagsüber am Strand döst?

Mental-Health-Hinweis: So wie die langanhaltende Dunkelheit der Wintermonate den Bio-Rhythmus beutelt, kann auch die dauernde Helligkeit des Sommers Probleme bereiten, da unserem System der Impuls „es ist Nacht, ich sollte schlafen“ fehlt. Wer bei Helligkeit nicht gut schläft – unbedingt eine GUTE Schlafmaske einpacken und für ordentliche Verdunklung im Van sorgen!

Bekannte Lofoten-Spots ─ Do or Don’t?

1 Å (sprich „O“)

Östlichster Ort der Lofoten und daher meist entweder Start- oder Zielpunkt der Reise (Fährhafen Moskenes). Kann man machen, muss man nicht. Die berühmten Zimtschnecken sind okay und es gibt schöne Bergpanoramen und niedliche Häuser, aber nichts Besonderes.

2 Nusfjord

Just don’t. Dieser Ort erschien uns wie eine Filmkulisse – für die „Altstadt“, also Zugang zu Bäckerei und Hafen, muss man Eintritt zahlen.

3 Unstad

Most famous secret surf spot: Eine unspektakuläre Ansammlung weniger Häuschen rund um eine von Bergen eingebettete Bucht mit Stein-/Sandstrand. Bei guten Wellen sicher ein toller Ort zum Surfen/Surfer:innen beobachten, ohne Wellen waren die Zimtschnecken in der Unstad Arctic Surf Lodge das Beste.

Für Skater:innen: auf dem Weg nach Unstad gibt es eine richtig geile, gepflegte Halfpipe mitten in den grünen Hügeln!

4 Kvalvika Beach und Ryten

Nur durch eine Wanderung erreichbare Bucht mit türkisem Wasser und traumhafter Berg-Kulisse. Die Wanderung auf den 543 m hohen Ryten belohnt mit unglaublichem Ausblick. Unbedingt machen, aber keine Einsamkeit erwarten! Wir haben eine Nacht am Strand der Kvalvika Bucht und eine Nacht auf dem Gipfel des Ryten gezeltet und wurden mit viel Wind, aber fast wolkenlosem Ausblick auf die orangerote Inselwelt zur Mitternachtssonne belohnt. Wie überall gilt auch beim Zelten in Norwegen: Leave nothing but footprints, keep nothing but memories!

5 Gimsøya

Relativ kleine Insel abseits der Europastraße E10. Lockt mit weniger Verkehr, tollen Stränden und einer nicht ganz so anstrengenden Wanderung auf den 368 m hohen Hoven, von dessen Gipfel man ein 360°C Panorama genießt.

6 Henningsvær

Der Ort mit dem wohl exponiertesten Fußballplatz der Welt (der aber nur mit der Drohne wirklich spektakulär in Szene gesetzt werden kann). Für uns purer Stress, da absolute Touri-Hochburg. Vans, Wohnmobile, Tourist:innen und Radreisende quetschten sich entlang der Hauptstraße, um teuren Schmuck zu kaufen oder delikaten Fisch zu speisen – wir haben schnell kehrt gemacht und sind nicht einmal ausgestiegen.

Die Fahrt nach Unstad lohnt mit tollen Ausblicken und entlang der alten, nicht mehr benutzten Straße gibt es einige ruhige Stellplätze mit Panorama-Blick.

Heading north – Andøya, die Vogelinsel

Eigentlich wollte ich die Lofoten bereits Richtung Narvik verlassen und den Trubel der E10 hinter mir lassen. Die Wettervorhersage riet mir allerdings, noch einen Abstecher nach Norden zu machen. Von den Lofoten aus erreicht man ganz ohne Fähre die weniger bekannte Insel Andøya, die zur Inselgruppe der Vesterålen gehört.

Hier ist die Schlagzahl der Tourist:innen bereits deutlich verringert und sowohl das Fahren als auch die Stellplatzsuche viel entspannter. Ein Highlight ist die Wanderung auf den Måtind bzw. zur Høyvika Bucht! Besonders für Vogel-Liebhaber:innen scheint Andøya ein Paradies zu sein ─ Adler, Papageitaucher, Austernfischer, Trottellummen und Tordalks belohnen geduldige Beobachter:innen.

Senja Norwegen im Miniaturformat

Im Sommer verkehrt von Andenes auf Andøya eine Fährlinie nach Senja. Die Insel mit den „vielen Fingern“ hatte ich bereits auf meiner Norwegen-Reise im Herbst 2016 besucht und als absolutes Highlight gespeichert. Die 80 € für die knapp 2-stündige Fährüberfahrt taten zwar kurz weh, waren aber spätestens bei der Einfahrt in den malerischen Gryllefjord bei bestem Wetter vergessen. Ich empfinde Senja als eine komprimierte Version Norwegens – auf kleinem Raum gibt es eine Menge zu staunen und zu entdecken! Die Hänge sind noch ein bisschen steiler, die Zacken noch ein bisschen schroffer, die Strände noch ein bisschen feiner und die Tunnel noch ein bisschen dunkler als sonst irgendwo in Norwegen.

Wanderungen auf den Husfjellet oder Segla (das Wahrzeichen Senjas) locken ambitionierte Hiker:innen, aber auch bereits kürzere Wanderungen, z. B. auf Hesten oder Knuten, belohnen mit spektakulären Ausblicken. Für kleine Faultiere gibt es aber auch entlang der Straße 862 viele Parkbuchten mit Berg-Panorama und Wow-Effekt.

Fun Fact: Sowohl Andøya als auch Senja haben in ganz besondere Touri-Attraktionen investiert – wirklich fotogene öffentliche Toiletten! Auf Andøya findet man die spektakulär designte (kostenlose) Toilette am Bukkekjerka Aussichtsplatz (direkt an der Fv974) mit Blick vom WC auf den zerklüfteten Fjord (von außen verspiegelt + Milchglas-Funktion auf Knopfdruck). Auf Senja wurden 3,7 Mio. NOK in den Bau der Gulldassen am Ersfjord Strand gesteckt – die Toilette ist mit goldenen Schindeln ummantelt und gewährt durch das Glasdach Blick in den Himmel (laut Architekt, um kein Nordlicht zu verpassen).

Ich finde – besonders Senja hätte das Geld lieber in Tunnel investieren sollen! Die sind in der Regel nämlich richtig gruselig, kaum bis gar nicht beleuchtet, nass und Autos können nur in Parkbuchten ausweichen. Aber vielleicht weiß ich Toiletten-Architektur auch einfach nicht richtig zu schätzen…

Unterwegs mit Hund in Norwegen

Leider hat mich Norwegen in Bezug auf das Reisen mit Hund sehr negativ überrascht. Es ist absolut nicht üblich und gern gesehen, den Hund mit in Restaurants oder Cafés zu nehmen. Wenn möglich, wird einem zwar ein Plätzchen auf dem Freisitz angeboten, aber wirklich bemüht sind die Norweger:innen dabei nicht. Vor Supermärkten gibt es manchmal einen „Hundeparkplatz“, also Ösen zum Anbinden und einen Trinknapf.

Problematisch kann es auf der Fähre werden: Während auf den kleineren Fähren bei Fjord- oder Inselüberfahrten der Hund zumindest auf das Außendeck darf, musste er bei der knapp vierstündigen Überfahrt Bodø – Moskenes im Auto bleiben (alternativ bietet die Fähre nur furchtbare Gitterboxen unter Deck, für uns absolut keine Option). Man selbst muss das Parkdeck zügig verlassen. Ich stieß zum Glück auf relativ nette Einweiser, die mir etwas Zeit ließen, um Maya zu beruhigen, da die Geräusche und Vibrationen unter Deck sie sehr verunsichert und nervös gemacht haben. Trotzdem ließ ich sie nur mit einem unguten Gefühl im Auto zurück.

Trotz mancher Hindernisse ist es das Größte für mich, gemeinsam mit meiner Hündin Maya
wilde Abenteuer zu erleben.

Durchmogel-Tipp: Den Norweger:innen steht manchmal ihre sehr ausgeprägte Höflichkeit im Weg. Ihnen ist es in der Regel extrem unangenehm, wenn sie jemanden darauf hinweisen müssen, dass Hunde draußen bleiben müssen. Besonders, wenn Cafés nur wenig besucht waren, habe ich daher gepokert und Maya ganz selbstverständlich mit an den Tisch genommen – oft gab es zwar unerfreute Blicke, aber wir durften gemeinsam sitzen bleiben.

Lofoten mit dem Van – ein teurer Spaß

Kurzum: Norwegen ist ein a***teures Land. Obwohl die norwegische Krone zum Zeitpunkt meiner Reise relativ schwach und der Euro relativ stark waren, lässt man in Norwegen sehr schnell sehr viel Geld. Für zwei Kaffee und zwei Stück Kuchen zahlt man 25-30 €, wer ins Restaurant geht, kommt mit zwei Getränken und zwei Hauptspeisen gern auf 70-80 €. Der Preis für Diesel lag zwischen 17-24 NOK (ca. 1,60-2,30 €), dazu kommt Maut + teure Fähren. Campingplätze kosten i.d.R. 300 NOK, also ca. 28 €, egal wie viele Personen. Warme Duschen sind meist extra zu bezahlen (ca. 2 € für 6 min), ebenso wie Waschmaschinen (8-10 €). Für Alleinreisende sind Campingplätze also wirklich eine teure Sache ─ und besonders auf den Lofoten sind schöne Freisteh-Plätze Mangelware (aufgrund der vielen Camper wurden viele Plätze mittlerweile mit „PRIVAT“ Schildern versehen).

Nordnorwegische Inseln ─ lieber Bike statt Van?

Auch in Nordnorwegen trifft man sehr viele Radreisende! Ich kann absolut nachvollziehen, dass die gewaltige Natur und die aufregend geschlängelten Straßen das Radler:innen-Herz schneller schlagen lassen, aber oft war ich auch reichlich besorgt um sie. Im Norden findet man keine Seitenstreifen und erst recht keine Fahrradwege, dafür aber Unmengen breiter Wohnmobile, die sich durch die Gegend schaukeln. Oft sind Straßen nur einseitig befahrbar und man muss den Gegenverkehr in Ausweichbuchten passieren lassen. Da viele Wohnmobile/Vans gemietet sind und die Fahrenden diese nicht so gut einschätzen können, habe auch ich bei manchen Manövern den Atem angehalten und gedanklich schon neue Seitenspiegel gekauft. In Kombination mit Nebel bzw. tiefhängenden Wolken schien mir das Leben als Bikepacker:in manchmal recht heikel. Aufgrund des deutlich geringeren Verkehrs würde ich Radreisenden also eher die Insel Senja empfehlen, statt der eh schon überfüllten Lofoten.

Vorteil als Bikepacker:in: Fähren sind für Radfahrer:innen und Passant:innen kostenlos und aufgrund des Jedermanns-Rechts darf an sehr vielen Plätzen kostenlos gezeltet werden!

Smartes Tunnel-Feature: Richtig cool fand ich die eigens für Radfahrer:innen eingerichteten Warnsysteme in den Tunneln! Einige Tunnel sind nicht einmal beleuchtet, kaum einer hat Randstreifen. Um die Sicherheit der Radfahrer:innen zu gewährleisten, können diese bei Einfahrt in den Tunnel auf einen auf Brusthöhe installierten „Buzzer“ drücken, welcher ein leuchtendes Warnschild anschaltet, um Autofahrer:innen darauf hinzuweisen, dass Bikes im Tunnel unterwegs sind.

Lofoten mit dem Van mein Fazit

So sehr ich die Landschaft der nordnorwegischen Inselwelt liebe und feiere – die überfüllten Straßen und Campingplätze waren für mich ein Stressfaktor und haben es an manch wolkenverhangenem Tag erschwert, die guten Vanlife-Vibes aufrechtzuerhalten. Im Gegenzug hat die einfach nicht untergehende Sonne für jegliches Getümmel entschädigt und mir jede Nacht aufs Neue ein wohliges Grinsen aufs Gesicht gezaubert. Die Lichtstimmung der Mitternachtssonne ist einfach unvergleichlich und die Reise über den Polarkreis auf jeden Fall wert ─ ob mit Van, Bike oder Backpack!

Habt ihr selbst bereits Erfahrungen mit dem Vanlife in Norwegen gesammelt oder könnt Spot-Tipps mit der Community teilen? Dann schreibt es in Kommentare! Tipps für deinen Vanlife-Trip findest du hier.

Über die Autor:in

Pauline Picker

Ob als Guide für Huskytouren bei -30°C im norwegischen Tiefschnee oder als Yogalehrerin im schwül-heißen Sri Lanka – Female Explorer Lektorin Pauli findet immer eine spannende Herausforderung auf ihren Reisen. Nach umfassender Solo-Backpacking-Expertise erobert sie sich jetzt mit ihrem T5 Transporter Pancake das Vanlife-Paradies.

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