Risiko erkennen, einschätzen und entscheiden – die 3 E´s am Berg
Üben Berge auf euch auch so eine unglaubliche Faszination aus? Bergsteigen ist nicht nur ein Abenteuer im Freien, sondern auch eine Reise zu uns selbst. Doch um diese Reise sicher und erfüllend zu gestalten, sind die drei E’s – Risiko am Berg erkennen, einschätzen und entscheiden – von wesentlicher Bedeutung, damit ihr eure unvergesslichen Abenteuer genießen könnt. Aus eigener Erfahrung ist es so wichtig, dass ihr die tatsächlichen Gegebenheiten realistisch einschätzt, um das Beste aus euren Bergabenteuern herauszuholen.
Ihr kennt vermutlich diesen Moment – seit Wochen freut ihr euch auf die nächste Tour. Dann ist es endlich so weit, aber es läuft nicht nach eurem perfekten Plan. Auf den letzten Metern zum Gipfel liegt noch zu viel Schnee, an einem steilen Abschnitt ist noch ein altes Schneefeld, es ist viel zu warm und euer Wasser geht langsam aus oder ihr braucht länger als geplant, dunkle Gewitterwolken ziehen auf…
Was nun?
1 Risiko am Berg erkennen
Der erste Schritt auf eurer Wanderung ist das Risiko erkennen. Es erfordert eine sorgfältige Planung und Vorbereitung mit verschiedenen Hilfsmitteln wie Planungsapps, Vergleich von verschiedenen Wetterberichten und Zustandsberichten des Weges. Zustände von Wegen könnt ihr beim Touristenbüro oder Hütten vor Ort erfragen. Ihr solltet euch also über eure geplante Route vorab gründlich informieren, euch über die aktuellen Wetterbedingungen erkundigen, euch Alternativwege ausgucken und euch fragen, was gefährlich werden könnte – zum Beispiel Lawinengefahr, Altschneefelder oder Neuschnee. Durch das Checken von Lawinenberichten und das Beobachten der Schneeverhältnisse könnt ihr die Risiken besser verstehen und geeignete Vorsichtsmaßnahmen treffen. Gerade im Frühsommer sind schmelzende, instabile Schneefelder eine große Gefahr, da diese bei Betreten abrutschen können.
2 Risiko am Berg einschätzen
Eure Fähigkeit, das Risiko richtig einzuschätzen, ist ein entscheidender Schritt, um sicher am Berg unterwegs zu sein. Es braucht Achtsamkeit, Erfahrung und eine realistische Selbsteinschätzung. Zum Beispiel kann eine steile Felswand für erfahrene Kletterer:innen eine spannende Herausforderung sein, während sie für eine:n Anfänger:in ein hohes Risiko darstellen kann. Eine objektive und realistische Einschätzung der Situation sowie der eigenen Fähigkeiten hilft, Gefahren zu erkennen und angemessen darauf zu reagieren. Ganz wichtig dabei – ruhig bleiben. Lasst euch nicht von Angst oder Ego kontrollieren. Was mir dabei immer hilft: 3-6 Mal tief mit geschlossenen Augen ein- und ausatmen, solange, bis ich das Gefühl habe, ich kann wieder klar denken.
Fragen, um das Risiko am BERG besser einschätzen zu können
- Brauche ich länger als geplant?
- Passt das Wetter und meine Ausrüstung?
- Sind Helm, Spikes, Schneeschuhe, Wanderstöcke, Klettersteigset etc. notwendig?
- Habe ich die nötigen Fähigkeiten für diesen Weg?
- Bin ich körperlich und psychisch in der Lage weiterzugehen?
- Macht mich Höhenangst unsicher?
- Was sind meine Alternativen?
Warum ist eine realistische Einschätzung so wichtig?
Eine realistische Einschätzung der tatsächlichen Gegebenheiten am Berg ist von entscheidender Bedeutung, um eure Sicherheit zu gewährleisten. Eine übermäßig optimistische Haltung à la “das wird schon” oder das Ignorieren potenzieller Risiken kann verheerende Folgen haben. Ihr solltet euch also eurer eigenen Fähigkeiten und Erfahrungen bewusst sein und sie ehrlich einschätzen. Habe ich noch genug Energie diesen Weg zu schaffen? Gehe ich wirklich auf den Gipfel bei aufziehendem Gewitter? Habe ich wirklich die richtige Kleidung an und Ausrüstung dabei? Durch realistische Einschätzungen könnt ihr alternative Routen wählen oder Schutzmaßnahmen treffen, um letztendlich eure Bergabenteuer sicher und unvergesslich zu gestalten.
3 Entscheidungen treffen
Nun folgt der entscheidende Punkt – kluge Entscheidungen treffen. Manchmal bedeutet dies, eine Tour abzubrechen oder den Gipfel nicht zu erreichen. Es erfordert tatsächlich Mut und Stärke, auf eure innere Stimme zu hören und die Sicherheit über das Streben nach dem Gipfelerlebnis zu stellen. Auch wenn ihr euch sehr auf den Gipfel gefreut habt, kann es bei Wetterumschwung oder gefährlichen Bedingungen bedeuten, dass ihr euch für Umkehren entscheidet. Wenn ihr realistisch und verantwortungsvoll handelt, schützt ihr nicht nur euer eigenes Leben, sondern auch das eurer Gruppe. Ihr könnt die Tour jederzeit wiederholen.
stay safe!
Sicherheit und innere Stärke
Die drei E´s sind der Wegweiser zu eurem sicheren und unvergesslichen Abenteuer. Durch realistische Einschätzungen der tatsächlichen Gegebenheiten könnt ihr potenzielle Gefahren frühzeitig erkennen und angemessen darauf reagieren. Gleichzeitig eröffnen sie euch die Möglichkeit, eure persönlichen Grenzen zu erweitern und euch als Wanderer:innen oder Bergsteiger:innen weiterzuentwickeln. In unserem Streben nach Gipfeln und persönlicher Erfüllung ist es unvermeidlich, dass nicht immer alles nach Plan läuft. Manchmal müssen wir eine Tour abbrechen oder unsere Ziele anpassen. Das Scheitern ist kein Versagen, sondern eine Gelegenheit zum Wachsen, zur Selbstreflexion und zur Stärkung unserer mentalen Widerstandsfähigkeit. Indem ihr auf euch selbst vertraut und liebevoll mit euch umgeht, findet ihr nicht nur Sicherheit am Berg, sondern auch eine innere Stärke, die euch durch alle Höhen und Tiefen des Lebens trägt. Vertraut auf euch!
Ihr wollt mehr über Selbstfürsorge und Wohlbefinden auf euren Touren erfahren? Anika und Norma von WanderWohl kümmern sich auf ihren WanderRetreats um eure körperliche Gesundheit und emotionale Stärkung. Mehr Inspiration findet ihr auf dem Instagram Account von Wanderwohl und auf der Webseite wanderwohl.de. Wenn ihr euch gern im Backcountry bewegt, findet ihr auch essentielle Tipps für eure Tourenplanung in unserem Artikel »Stay safe off the slopes« im The Female Explorer Magazin No. 7.
Was waren eure brenzligen Situationen, wo ihr letztlich froh gewesen seid, die Tour abgebrochen zu haben? Schreibt es uns in die Kommentare.