Gleitschirmfliegen an der Dune du Pilat – Eine Soloreise für das Selbstvertrauen


Sandra GschnitzerText/Fotos

Vor vier Jahren habe ich das Gleitschirmfliegen gelernt. Seither träumte ich davon, an der größten Düne Europas, der Dune du Pilat, zu fliegen. Mein damaliger Fluglehrer erzählte mir begeistert von seinen dortigen Aufenthalten. Noch im selben Jahr kam ich während einer Reise an der imposanten Düne vorbei: Ich wollte das Erlebnis selbst erfahren. Doch der Menschenandrang und der Starkwind überforderten mich völlig. Niemals hätte ich mich an diesem Tag getraut, in den von Gleitschirmen voll besetzten Himmel zu starten. Diese Erfahrung gehört mittlerweile der Vergangenheit an: viele lehrreiche Flugstunden liegen dazwischen und mein Entschluss stand fest, eines Tages zurückzukehren – auf eine Soloreise für mein Selbstvertrauen.

Bestimmt kennt ihr auch solche Momente im Leben. Mein Selbstvertrauen wurde die letzten Monate durch verschiedene äussere Einflüsse hart auf die Probe gestellt und meine innere Stimme, die mich an mir selbst zweifeln ließ und an vergangene Fehler und verpasste Chancen erinnerte, übernahm den Rest. Für mich war die Soloreise zum Gleitschirmfliegen an der Dune du Pilat im Südwesten Frankreichs eine besonders eindrucksvolle Möglichkeit dieses Selbstvertrauen wieder zu finden und zu stärken. 

Die Dune du Pilat im Südwesten Frankreichs

Die erste Überwindung – Raus aus der Routine

Der Beginn meiner Reise war von gemischten Gefühlen geprägt: Aufregung, Vorfreude und ein Hauch von Bedenken. Das Losreis(s)en aus meiner gewohnten Umgebung und Routine war die erste Herausforderung, die ich zu meistern hatte. Ein positives Selbstgespräch half mir dabei, indem ich mich wiederholt an das Warum und die Möglichkeiten dieser Reise erinnerte: Dadurch fühlte ich mich mutig und entschlossen, das Abenteuer zu starten. Und sobald ich im VW-Bus sass und losrollte, spürte ich ein starkes Freiheitsgefühl. Ein freudvolles Jupidoo platzte aus mir heraus, und mein Oberkörper bewegte sich tanzend am Lenkrad. Zweifelnde Gedanken rückten in den Hintergrund. Pure Vorfreude und Neugier breiteten sich aus. 

Allein unterwegs zu sein, bringt eine tiefe Form der Autonomie mit sich, bedeutet aber auch, sich selbst zu vertrauen und die Verantwortung für den eigenen Weg zu übernehmen. Da ich mit dem VW-Bus reiste, plante ich eine Zwischenübernachtung ein und überlegte gut, wo ich mich für die Nacht sicher fühlte. An der Düne wusste ich, dass ich direkt am Camping Panorama übernachten wollte. Diesen wunderbaren Platz kannte ich noch von unserer damaligen Reise. Dass ich am Ende auf dieser spontanen Reise einen herrlichen Platz mit freier Sicht aufs Meer und den Sonnenuntergang bekam, war eine freudige Überraschung.

Neue Horizonte entdecken – Die Dune de Pilat

Bei meiner Ankunft regnete es und ein leichter Sturm zog über die imposante Dune de Pilat. Eingebettet zwischen dem Atlantik und dem umliegenden Wald ist die Düne über 100 m hoch, ca. 500 m breit und fast 3 km lang. Ein Waldbrand zerstörte vor zwei Jahren den Wald hinter der Düne und die umliegenden Campingplätze – während der Platz wieder aufgebaut ist, braucht die Natur noch Zeit, sich zu erholen. Trotz des rauen Wetters waren einige Gleitschirmflieger:innen mit ihren Speedflyern unterwegs. Die Szenerie beeindruckte mich und erfüllte mich erneut mit Respekt. Doch ich besann mich auf meine Fähigkeiten und freute mich darauf, in den kommenden Tagen mein Schirmgefühl zu erweitern.

Mit dem Gleitschirm der untergehenden Sonne entgegen

Der nächste Morgen begann windstill und ich entschied mich, die Gegend um die Düne und das schöne Städtchen Arcachon mit meinem Gravelbike zu erkunden. Wer von euch Austern liebt und etwas Zeit mitbringt, ist hier genau richtig – in den lokalen Austernhütten könnt ihr sie nach Herzenslust probieren. Am Abend war der Wind zum Gleitschirmfliegen ideal und ich startete meinen ersten Flug direkt an der Kante der Sandklippe. Ich konnte mich zwei Stunden lang mit wenigen anderen Pilot:innen an das Gelände der Düne gewöhnen, bis ich pünktlich zum Sonnenuntergang allein am Strand landete.

Ich freute mich über dieses Willkommensgeschenk – schon jetzt hatte sich meine Soloreise gelohnt. In den nächsten Tage lernte ich, dass der Wind meist erst am frühen Nachmittag einsetzt – mal stärker, mal schwächer. So hatte ich am Morgen genügend Zeit für gemütlichen Kaffee und genoss das beliebige Entscheiden für mich allein – ein unglaublicher Luxus beim Reisen allein.

Gleitschirmfliegen – Tägliche Herausforderungen

Der erste richtige Starkwindtag forderte mich beim Start in der Düne heraus. Doch ich war unter anderem auch an die Düne gereist, um meine Fähigkeiten beim Gleitschirmfliegen für solche Situationen zu erweitern. Und ich konnte von genügend anderen Pilot:innen Fähigkeiten abschauen und mir Tipps holen. Die schönste Überraschung war das zufällige Aufeinandertreffen mit meinem damaligen Fluglehrer, der immer noch mit Fluggruppen an die Düne reist. Von ihm habe ich meine ersten Flugfertigkeiten gelernt, und vier Jahre später zeigte er mir, wie ich im Kobrastil die Düne hochlaufen kann.

Im Kobrastil.

Spätestens ab diesem Moment konnte ich seine Faszination für die Düne teilen. Denn das Schirmhandling am Boden machte jetzt mehr Spaß als das Gleitschirmfliegen selbst – ausgenommen das Schweben in den Sonnenuntergang. Leicht bekleidet, mittlerweile barfuss und mit genügend Wasser ausgerüstet, verbrachte ich die nächsten Tage stundenlang im Sand. Die Dune de Pilat bot mir eine faszinierende Kulisse für mutige Entscheidungen und neue Erfahrungen. Mein Selbstvertrauen und meine Selbstsicherheit wuchsen durch das konstante Schirmtraining und meine bewussten Entscheidungen von Tag zu Tag.

Während sich der erste Flug in der „Meute der Rushhour“ am ersten Tag wie ein lästiger Bienenschwarm anfühlte, flog ich die darauffolgenden Tage ganz entspannt meine Runden. Ich traute mich, an der Kante top zu landen, landete barfuss in der Düne, machte im Kobrastil wieder Höhe und hob für eine weitere Runde ab. Ich lernte, in herausfordernden Situationen einen klaren Kopf zu behalten, meinen Fähigkeiten zu vertrauen oder eine Pause einzulegen.

Die Kraft der Selbstreflexion

Da ich alleine unterwegs war, hatte ich genügend Zeit zur Selbstreflexion. Jeden Morgen nahm ich mir Zeit zu überlegen, was mir für den bevorstehenden Flugtag wichtig ist, was ich noch ausprobieren und üben möchte –und ganz besonders, wonach ich mich fühlte. Entscheidend war, wofür ich mich bereit fühlte. Am Abend reflektierte ich meine Erlebnisse und schrieb die lehrreichen Erkenntnisse auf. Ich spürte eine tiefe Dankbarkeit für die vielen erlebten Momente und freute mich über die neu gewonnenen Perspektiven.

Ich bin überzeugt, dass die Fähigkeit, sich in herausfordernden Situationen selbst zu vertrauen, aus kontinuierlicher Selbstreflexion entsteht. Sobald ich verstehe, wie ich mit solchen Situationen umgehe, wie ich mich ängstige und wie ich mich stärke, kann ich selbst Einfluss darauf nehmen. Zudem gehören äussere Erfolge gefeiert. Wir können gar nicht stolz genug auf uns sein. Doch genauso wichtig finde ich, die innere Resilienz und die Fähigkeit, aus Erfahrungen zu lernen und sich weiterzuentwickeln. Die Kombination aus beidem führt zu einem tiefen und stabilen Selbstvertrauen.

Wie die Soloreise mein Selbstvertrauen im Alltag stärkt

Die Erinnerungen an die gemeisterten Herausforderungen und Erfolge während meiner Soloreise und beim Gleitschirmfliegen sind in lebendigen Bildern präsent und bieten mir neue Handlungsperspektiven für den Alltag. Die Erlebnisse haben mein Bewusstsein für meine Stärken und Schwächen geschärft, wodurch ich mich noch tiefer erfahren konnte und Methoden entwickeln kann, die mich in schwierigen Situationen unterstützen. Durch bewusstes positives Denken und Selbstermutigung finde ich Wege, meine Zweifel und Ängste zu überwinden. Wenn ich äussere Rahmenbedingungen akzeptiere, auf die ich keinen Einfluss nehmen kann – wie den Wind oder das Wetter – und mir den Lernprozess eingestehe, der für mich persönlich nötig ist, wächst mein Selbstvertrauen in meinem Tempo. Die grösste Erkenntnis auf der Reise war der Vergleich mit mir selbst vor vier Jahren.

»Ich bin beeindruckt, wie weit ich gekommen bin, und stolz darauf, wie viel ich bereit war zu investieren, weil ich Spaß am Lernen hatte. Ich habe die Kraft der Selbstwirksamkeit erfahren und das hat mein Vertrauen in meine Fähigkeiten und in mich selbst stark gestärkt.«

Sandra | UnterwegsSein

Gleitschirmfliegen an der Dune de Pilat – Mein Fazit

Allein zu reisen, ist weit mehr als nur ein Abenteuer – es ist eine kraftvolle Gelegenheit zur Selbstentfaltung und zum Aufbau eines tiefen Selbstvertrauens. Durch das Überwinden von Herausforderungen, das Meistern meiner Ängste und das bewusste Treffen eigenverantwortlicher Entscheidungen erlebte ich an der Dune de Pilat eine transformative Reise zu mir selbst. Diese Erfahrung offenbarte mir, wie stark das persönliche Wachstum durch das aktive Gestalten des eigenen Weges gefördert wird. Jede Hürde, die ich bewältigte, und jede Entscheidung, die ich traf, trugen dazu bei, ein tieferes Vertrauen in mich und meine Fähigkeiten aufzubauen. Diese Reise hat mir eindrucksvoll gezeigt, dass wahres Selbstvertrauen neben äusseren Erfolgen, durch die innere Stärke und die Bereitschaft, sich selbst herauszufordern, wächst. Sie war eine Investition in meine persönliche Entwicklung, die mich daran erinnert, mit Mut und Selbstvertrauen meinem eigenen Weg zu folgen und die Herausforderungen des Lebens mit einer positiven und offenen Haltung zu begegnen.

Ihre Mission, Menschen zu ermutigen, neue Abenteuer zu erleben und dadurch sich selbst und die Natur tiefer zu entdecken, lebt Sandra auf ihrem Blog UnterwegsSEIN und auf Instagram aus und berichtet von ihrem Erfahrungen und Erlebnissen in der Natur und wie sie dadurch gestärkt ihren Alltag und neue Herausforderungen meistert. Zudem könnt ihr zusammen mit ihr auf Tour gehen und eure eigenen Grenzen zu verschieben lernen. Noch nicht genug von fliegenden Herausforderungen und Grenzerfahrungen? Dann schaut doch mal im Artikel Fliegen wie eine Superheldin vorbei und erfahrt im Interview mit Lisa Buchner, warum sie regelmäßig den Sprung im Wingsuit aus dem Flugzeug wagt. 

Gleitschirmfliegen, Wingsuiten, Wingfoilen – hattet ihr auch schon Erfahrungen auf fliegenden Outdoor-Abenteuern? Berichtet uns davon in den Kommentaren!

Über die Autor:in

Steffka Bunge

Steffka ist Chefredakteurin und Lektorin beim Female Explorer und liebt es, sich mit den Abenteuer-Storys der Community an verschiedene Ort zu träumen. In freien Momenten bereist sie mit ihrer Familie die Welt, um sich am Zauber der Natur zu erquicken und unter Wasser den Alltag zu vergessen.

Wilder
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