
Community Story
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Bikepacking Georgien – Eine Solo Abenteuer Fahrradtour
Allein? Als Frau? Georgien? Ich sehe große Augen, wenn ich von meiner Reise nach Georgien erzähle. Zugegebenermaßen wusste ich bis vor kurzem auch nicht, welche Abenteuer das Land am Kaukasus bereithält. Bis ich auf Instagram auf eine Bikepacking Reise aufmerksam geworden bin und das Land auf meine Bucketlist setzte. Danach ging mir der Gedanke, Georgiens abenteuerliche Landschaft mit meinem Gravelbike zu erkunden, nicht mehr aus dem Kopf. Vergeblich versuchte ich, Freund:innen für mein Outdoor Abenteuer zu begeistern. Doch meine Hoffnung schwand, die Reise zeitnah zu machen und so entschied ich, das Bikepacking Georgien Abenteuer allein zu machen. In diesem Artikel nehme ich euch mit auf den ersten Teil meiner erlebnisreichen Reise mit dem Bike durch Georgien.
Bikepacking Georgien
Den Kaukasus im Blick
Ende August nehme ich die steigenden Flugpreise als ein Zeichen und buche die Flüge nach Kutaissi. Danach beginnen drei Wochen purer Stress, um die letzten Vorbereitungen abzuschließen. Und Ende September finde ich mich bereits nachts um 3 Uhr am Flughafen in Kutaissi wieder und starte den Tag nach der Ankunft in mein Bikepacking Georgien Abenteuer.
Tag 1
ZWischen Höhen und Tiefen
Eine Straße führt mich aus dem wilden Stadtverkehr heraus, bis ich eine Schotterstraße in Richtung Berge erreiche. Mit Blick auf den kleinen und den großen Kaukasus genieße ich das überwältigende Gefühl, dass die Tour nun gestartet ist. Von hier reihen sich kleine Dörfer aneinander. Viele Häuser stehen leer und das Straßenbild wird von frei umherziehenden Kühen, Schweinen und Hunden geprägt. Nach mehreren Stunden auf und ab durch hügeliges Gelände neigen sich meine Wasservorräte und ich fahre zwei Stunden ohne Wasser. Anfangs habe ich mich noch nicht getraut, die Gastfreundschaft zu testen und bei den wenigen Häusern zu klingeln. Vollkommen erschöpft erreiche ich dann endlich eine Bushaltestelle und genieße eine kalte Cola und ein Wasser aus dem Automaten.
Grenzüberschreitende Begegnungen
Kurz darauf hält ein Auto und ein junger Mann steigt aus. Obwohl die Bank mehrere Meter lang ist und er offensichtlich nicht den Bus nutzen möchte, setzt er sich neben mich, sodass sich unsere Körper berühren. Er zeigt mir YouTube Videos von sich und fragt mich aus. Dann legt er auch noch seine Hand auf meinen Oberschenkels. Ich bin körperlich so erschöpft, dass ich nichts sage, obwohl ich möchte, dass er seine Hand wegnimmt. Er fragt nach meiner Unterkunft und möchte mein georgischer Freund sein. Irgendwann bitte ich ihn, mich allein zu lassen. Glücklicherweise reagiert er freundlich, setzt sich ins Auto und fährt. Kurz danach fährt er die Haltestelle erneut an: Das finale Zeichen, mich auf den Sattel zu schwingen.
Eine Nacht zwischen Idylle und Bedrohung
Mit einem unguten Gefühl mache ich mich auf die Suche nach einem Schlafplatz. Am Rand eines Dorfes finde ich einen Weg hinunter zu einem Fluss. Eine breite Wiese mit Blick auf die Berge lädt mich ein, das Zelt für die erste Nacht aufzuschlagen. Nur Schweine und ein paar wilde Hunde streunen auf der Wiese, die mir bei der Zubereitung vom Abendessen noch Gesellschaft leisten. Bis hierhin wird er mich nicht verfolgen, denke ich mir. Um 3 Uhr nachts werde ich wach. Wenige Meter von meinem Zelt entfernt machen drei Jugendliche ein Lagerfeuer. Als sie merken, dass ich wach bin, kommen sie zu mir und fragen mich aus. Ich sage ihnen, sie sollen mich in Ruhe lassen und versuche trotz der Angst, dass sie mein Bike stehlen oder zu mir ins Zelt kommen, wieder einzuschlafen. Doch sie nehmen immer wieder Kontakt zu mir auf und nach einer Stunde sinkt das Niveau. Als sie Dinge unter der Gürtellinie sagen, schreie ich mehrfach Stop it! und sie laufen weg. Da stehe ich nun um vier Uhr. Das Feuer brennt noch und ich frage mich, ob sie nochmal wiederkommen.
Tag 2
Ein Lichtblick nach dem ersten Tag
Am nächsten Morgen prüfe ich als erstes, ob alles noch da ist. Ungläubig stehe ich neben meinem Zelt und denke darüber nach, was am ersten Tag schon alles passiert ist. Das kann es nicht gewesen sein, denke ich. Es kann nur besser werden. Doch ich versuche den ersten Tag nicht zu sehr an mich heranzulassen und steige auf mein Rad Richtung Javri. Über einen Mix aus Straße und Schotterpiste erreiche ich mein Tagesziel und begegne keiner Menschenseele. Um ein wenig Gesellschaft zu haben, verbringe ich deshalb den Abend in einem Gasthaus und trinke zu später Stunde mit einer polnischen Familie Schnaps aus Hörnern. Nach dem gestrigen Abend tut es unglaublich gut, nicht allein zu sein.
Tag 3–5
Der Aufstieg nach Mestia
Ein älterer Mann bleibt stehen, kurbelt das Fenster
runter, sagt nur „Wow!“ und rollt weiter.
Am dritten Tag beginnt das große Klettern in Richtung Mestia. 2.500 hm und zwei Tage Gravelbiken trennen mich von meinem Ziel. Der erste Teil ist so steil, dass ich mein Vorhaben hinterfrage: Habe ich zu schwer gepackt oder mir zu viel vorgenommen? Nachdem ich den Enguri Staudamm passiert habe, wird die Steigung jedoch angenehmer und ich fahre einer mäßig befahrenen Straße entlang. Doch immer wieder erschrecke ich, wenn jemand hupt. Die Fahrer:innen wollen mich nur motivieren. Dennoch merke ich, dass der erste Tag seine Spuren hinterlassen hat. Ein älterer Mann bleibt stehen, kurbelt das Fenster runter, sagt nur „Wow!“ und rollt weiter. Dieser Moment und der erste Blick auf die mit Schnee bedeckten Bergspitzen und die intensiven Farben des Herbstes geben mir einen Motivationsschub.
Vierzig Kilometer und 900 hm später kommen die ersten kaukasischen Wehrtürme Mestias in Sichtweite. Für mich ist es ein besonderer Moment, da sich meine virtuelle Planung in ein direktes Erlebnis umwandelt und ich mir all das durch meine Muskelkraft selbst erarbeitet habe. Um andere Bikepacker kennenzulernen, buche ich mir hier für 2 Tage ein Gasthaus. Leider ist es fast leer und so genieße ich ein köstliches georgisches Frühstück und eine Sauna für mich ganz allein. An meinem Pausentag fahre ich in Richtung Chaladi Gletscher – wie bei vielen Gletschern ist der Anblick eher ein trauriger. Später fahre ich mit einer Gondel auf den Hatsvali (2348 m). Oben angekommen bin ich sprachlos von dem Panorama-Ausblick in die Berge und die wunderschönen Herbstfarben. Der Blick in die Weite lässt mich auch mein morgiges Ziel erblicken: der Shkara Gletscher bei Ushguli.
Tag 6
UShguli – Mittelalterflair mit gesellschaft
Am nächsten Morgen sind die Straßen leer. Einzig die Hunde sind wach. Auf einer einsamen Straße löse ich eine Kettenreaktion aus und das Bellen eines Hundes alarmiert den nächsten. Plötzlich stehen drei bellende Hunde um mich herum. Meine Taktik, das Rad zwischen die Hunde und mich zu bringen, funktioniert leider nicht. Tränen kullern über meine Wangen und die Angst packt mich. Ich verfalle in Schockstarre und bin froh, als ein Local kommt und mit seiner Präsenz die Hunde verscheucht.
Und während die Sonne sich noch hinter den Bergen versteckt und das Tal in ein schönes Licht taucht, mache ich mich wieder auf den Weg. In der nun wundervoll morgendlichen Stille fahre ich den Weg zum Ughviri Pass und folge dem Enguri Fluss im Tal auf einsamen Straßen bis nach Ushguli. Der vom nahenden Gewitter ergraute Himmel und die alten Wachtürmer im Ort lassen mich fühlen, als sei ich im Mittelalter. Am Ortseingang treffe ich auf Miriam und Kyla – und wir entschließen uns kurzerhand, die gleiche Unterkunft zu buchen. Dem Plan allein am Shkara Gletscher bei Regen zu zelten, ziehe ich Gesellschaft im Gasthaus doch vor. Gemeinsam gehen wir durch die engen Gassen des Dorfes und lassen uns georgische Spezialitäten wie Khachapuri schmecken. Später führt uns Mokka aus Ushguli durch einen der alten Wachtürme, der heute als Museum dient. Von oben genießen wir eine grandiose Aussicht auf das Dorf und die atemberaubende Umgebung. Auch den Abend verbringen wir mit Mokka und sitzen viele Stunden bei Schnaps, Brot, Honig und Käse bei ihm zu Hause am Lagerfeuer.
Tag 7
Gravelbike-pur – Die Straße zum Shkara Gletscher
Bikepacking Georgien!
Am nächsten Morgen schwinge ich mich früh auf mein Rad und habe das Gefühl, dass ich ohne das Gepäck am Rad geradezu fliege. Die Straße zum Shkara Gletscher ist eine der schönsten Gravelstraßen, die ich je gefahren bin. Rechts von mir fließt ein kleiner Bach und vor mir der Blick auf die gewaltigen Berge. Am Ende der Straße genieße ich den Ausblick in einer Hängematte, bevor mich auch hier die dunkeln Wolken zur Rückkehr aufbrechen lassen. Von einer Bank vor dem Gasthaus aus erlebe ich das gewaltige Gewitter, das über Ushguli herzieht und genieße den goldgelben Himmel in der Abendsonne, der dem Unwetter folgt.
Tag 8
Höhepunkt erreicht – Der Zagari Pass
Am nächsten Morgen ziehe ich alle meine Kleidungsstücke an und starte in die nächste Etappe. Die Temperatur ist fast auf den Gefrierpunkt. Wehmütig verlasse ich diesen wunderschönen, altertümlichen Ort und arbeite mich langsam den Anstieg rauf. Die Sonne versteckt sich noch hinter den Bergen und erzeugt ein spektakuläres Licht- und Schattenspiel. Trotz der ganzen Anstrengung zaubert dieser Ausblick zusammen mit den prachtvollen Herbstfarben ein Riesenlächeln in mein Gesicht.
Knapp 900 hm trennen mich vom Zagari Pass, dem höchsten Punkt, den ich mit dem Fahrrad bisher erreicht habe. Oben angekommen macht sich in mir ein Gefühl von Stolz und Freude breit. Ich genieße diesen triumphalen Moment, bevor ich mich auf meine 2.500 hm Abfahrt bis nach Tsageri mache.
Die Berge begleiten mich noch für einige Zeit, bis die Landschaft wieder weitläufiger wird. Eine Weide und Kuhglocken erinnern mich an die Idylle in den Alpen. Dieser Moment wird schlagartig durch das Bellen von zwei Hunden unterbrochen, die wenige Sekunden später zwischen den Bäumen hervorschießen und mich verfolgen. Ich trete mit aller Kraft in die Pedale und sehe mich im Gedanken schon auf dem Boden liegen. Zum Glück lassen sie nach 20 Sekunden von mir ab. Außerhalb ihrer Sichtweite halte ich. Meine Lunge brennt und ich brauche eine Pause.
Gegen Nachmittag erreiche ich einen herrlichen Spot an einem Fluss, den ich zum Zelten nutzen möchte. Doch die Begegnung mit den beiden Hunden zuvor lässt mich Abstand von meinem Plan nehmen. Ich höre auf mein Bauchgefühl und fahre weiter nach Tsageri. Den Ort finde ich verlassen und erreiche nur per Telefon den Gasthausbesitzer – wieder bin ich allein. Doch komme ich das erste Mal auf meiner Reise mit zwei Bikepackern, die die entgegengesetzte Richtung einschlagen, ins Gespräch.
Tag 9
Zurück nach Kutaissi
Am letzten Tag trennen mich nur noch 80 km bis nach Kutaissi und kurze Zeit später holt mich der Großstadtdschungel vollends zurück aus den Bergen. Angekommen im Hostel, schicke ich eine Nachricht nach Hause, dass ich heile wieder angekommen bin.
»Ein großartiges Gefühl von Freude und Stolz macht sich breit! Ich habe es geschafft, ganz allein!«
Bikepacking Georgien
Intensive Momente, Herausforderungen und persönliche Stärke
Während meines Trips habe ich wunderschöne Landschaften sehen und erkunden, großartige Gastfreundschaft genießen und abenteuerliche Momente im Großen und Kleinen erleben dürfen. Aber auch das Reisen allein und als Frau hat zu Herausforderungen und unschönen Momenten geführt, die ich überwunden habe, und dich mich nochmal stärker gemacht haben. Das Bikepacking Georgien Abenteuer war eine emotionale Reise durch Höhen und Tiefen.
Habt ihr nach Julia´s Community Story auch gleich Blut geleckt und wollt euch auf euer Bike ins nächste Iutdoor Abenteuer stürzen? Auf unserem Online Magazin findet ihr unter der Kategorie Bikepacking weitere wilde Stories von Female Explorern auf dem Bike, Routen und Tipps für eure Packliste.
Wohin plant ihr eurer nächstes Bikepacking Abenteuer? Fahrt ihr lieber allein oder mit euren Bike-Buddy? Verratet es uns in den Kommentaren!