Outdoor-Guide Ausbildung Teil 5/5: Leadership und Council


Sarah MuehlText / Fotos

Feature

Dieser Beitrag enthält unbezahlte Produkterwähnungen oder Verlinkungen zu Unternehmensseiten und/oder Shop. Die Auswahl hat der:die Autor:in unabhängig getroffen.

Unsere Outdoor-Guide Ausbildung bei der Waldläufer Wildnisschule neigt sich dem Ende, und mit dem letzten Modul tauchen wir tief in das Thema Leadership und Council ein. Wer in der Natur Gruppen führt, trägt eine besondere Verantwortung – nicht nur für Sicherheit und Organisation, sondern auch für soziale Prozesse, Dynamiken und individuelles Wohlbefinden.

Seit Mai 2024 machen Pauli aus dem Female Explorer Team und ich eine Ausbildung zum Outdoor- und Trekking-Guide. Diese eignet sich nicht nur, wenn ihr mit Gruppen draußen unterwegs sein wollt, sondern auch, wenn ihr eine lange Solo-Tour plant, mehr Sicherheit erlangen oder euer Outdoor-Wissen vertiefen wollt. Hier könnt ihr alle Beiträge zum Thema lesen.

Camping im Februar: Für die Theorie konnten wir ins Pfadfinder:innen-Heim ausweichen.

Outdoor-Leadership
Ganzheitliche Leitungsverantwortung

Eine Gruppe ist mehr als die Summe ihrer Einzelpersonen. Dynamiken entwickeln sich ständig, denn wir sind Menschen und bringen immer unsere inneren Rucksäcke mit – auch ich als angehender Guide. Und mich hat es schon immer beeindruckt, wie ein paar Tage (manchmal reichen schon Stunden) in der Natur uns Menschen beeinflussen und was der frische Wind, der Geruch von feuchtem Moos oder trockenen Gräsern, die Bewegung unserer Körper und die Abwesenheit von urbanen Reizen in uns „anrichtet“. Da möchten wir ein ruhiges Wochenende im Wald verbringen und dann kommt alles hoch. Ängste, Wünsche, Konflikte – Themen, die sich jetzt breit machen und Raum einnehmen möchten. Ganzheitliche Leitungsverantwortung bedeutet, dass mir diese Prozesse bewusst sind und ich den Umgang damit aktiv steuere.

»Als Menschen in Leitungsverantwortung ist es unsere wichtigste Aufgabe, die Sicherheit der uns anvertrauten Menschen zu gewährleisten. Das beinhaltet die physische und psychische Unversehrtheit aller Gruppenmitglieder.«

Jens von Waldläufer Wildnisschule

Und genau davon (und vielem mehr) handelte dieses Outdoor-Leadership Seminar. Natürlich wurden uns wieder wichtige Skills zur Planung und Umsetzung von Events und Touren für Gruppen vermittelt, aber eben auch aus dem Blickwinkel des „Wie„, also der Art und Weise. Mit diesem Fokus auf den Umgang miteinander überzeugen mich Jens und Bettina immer wieder. In diesem Seminar sollten wir lernen, wie auch wir diese offenen und sicheren Räume schaffen können, damit aus Gruppen echte Gemeinschaften werden.

Leitungsstile und Leitungsfallen

Gute Leitung bedeutet nicht nur, Anweisungen zu geben. Manchmal ist es sinnvoll, aktiv zu führen, manchmal eher zu begleiten oder den Entscheidungsprozess gemeinsam zu gestalten. Ein flexibler Umgang mit Leitungsstilen ist entscheidend für eine funktionierende Gruppendynamik und bestimmt letztendlich auch die Stimmung. Für die Waldläufer Wildnisschule ist es daher nicht nur wichtig, dass wir angehenden Guides Konflikte „managen“, sondern diese (auf-)lösen und an ihnen wachsen können. Dazu sind die richtige Sprache und Tools wichtig, die sie uns in diesem Seminar an die Hand gegeben haben.

Leitungsstile

  • Führen: Nur solang wie nötig, aber besonders wichtig, wenn Entscheidungen unter Zeitdruck getroffen werden müssen. Die Gruppe hat einen Anspruch auf Führung, sollte diese aber auch zulassen.
  • Leiten: Damit sollte eine Veranstaltung beginnen und im besten Fall der Standard-Stil sein. Die Gruppe hat ein Sicherheitsgefühl und Orientierung, trotzdem ist Raum für Mitbestimmung und Freiheit.
  • Begleiten: Erstrebenswerter Stil, der Selbstwirksamkeit, Vertrauen und Gemeinschaft fördert. Er gibt Raum für persönliche Bedürfnisse und Prozesse.

Leitungsfallen

  • Zu viel Kontrolle erstickt Eigenverantwortung und Initiative.
  • Zu wenig Kontrolle führt zu Unsicherheit in der Gruppe.
  • Fehlende Kommunikation erschwert Entscheidungsfindung und erzeugt Frustration.
  • Unklare Verantwortung kann zu Chaos und Missverständnissen führen.

Self-Leadership

Wie schon in erwähnt, ist diese Ausbildung auch wertvoll für alle, die ihre Fähigkeiten weiterentwickeln möchten oder eine anspruchsvolle Tour planen. Denn viele der Inhalte lassen sich auch hervorragend auf unser eigenes Verhalten übertragen. Im Self-Leadership können wir als Guide auch unsere eigenen inneren Anteile – erwachsen, kindlich, verletzt – wahrnehmen und leiten.

Zwischen Hüttenspaß und Theorie

Outdoor-Guide
Auch das gehört zum Leadership

Wieder einmal war ich beeindruckt von den vielen Inhalten, die den Rahmen dieses Beitrages sprengen würden. Trotzdem möchte ich noch ein paar wichtige Themen benennen, die für Outdoor-Leadership einfach wichtig sind und mit welchen sich meiner Meinung nach alle, die sich in diesem Bereich bewegen, schon mal auseinandergesetzt haben sollten.

Sicherheitsmanagement
Ein gutes Sicherheitsmanagement beginnt lange vor der Tour – mit einer sorgfältigen Planung, Risikoanalyse und klaren Notfallprotokollen. Während der Tour ist es entscheidend, die Lage ständig neu zu bewerten, Gefahren frühzeitig zu erkennen und flexibel zu reagieren, um die Gruppe sicher ans Ziel zu bringen.
Lage und Lagebewusstsein Ein entscheidender Faktor in der Outdoor-Leitung ist das ständige Bewerten der aktuellen Lage: Wetter, Gruppenzustand, Umgebung und Ressourcen. Je besser euer Lagebewusstsein, desto klüger könnt ihr Entscheidungen treffen. Prioritätenschema in Krisen
In herausfordernden Situationen hilft ein klares Prioritätenschema, um Entscheidungen zu treffen. Sicherheit geht immer vor, gefolgt von den Bedürfnissen der Gruppe und zuletzt den individuellen Anliegen. Ein besonnenes Krisenmanagement erfordert Klarheit, Ruhe und Handlungsfähigkeit.
Touren und Seminarphasen
Jede Gruppe durchläuft auf einer Tour verschiedene Phasen – von der ersten Orientierung über das Hineinwachsen in die Gemeinschaft bis hin zur Routine und schließlich der Reflexion beim Abschied. Wer diese Dynamiken kennt, kann gezielt darauf eingehen und eine positive Gruppenerfahrung fördern.

Auch bei diesem Seminar hieß es wieder draußen schlafen – egal bei welchem Wetter.

Redekreis und Council
Raum für Austausch und Reflexion

Schon während unserer Seminare haben Jens und Bettina diese Praxis eingeführt: Der Redekreis am Morgen und Abend. Dabei handelt sich um einen kurzen, wertungsfreien Check-In, der ganz nach Belieben mit Rede-Gegenständen, Kerzen oder ganz ohne gestaltet werden kann. Wie habe ich geschlafen? Wie fand ich den Tag? Worauf freue ich mich heute? Somit wird zweimal am Tag der Raum geschaffen, um sich in Ruhe der Gruppe mitzuteilen – freiwillig und ohne Druck. Und was soll ich sagen? Schon in unserer Gruppe konnte ich beobachten, wie diese Praxis Mitgefühl und Zusammenhalt gefördert hat und selbst zurückhaltende Mitglieder sich mit der Zeit öffneten.

Eine vertiefende Variante davon ist das Council. Dieser ist ebenso wie der Redekreis ein geschützter Raum, in dem jede Person ihre Gedanken, Emotionen oder Anliegen teilen kann. Die Tradition des Council stammt aus indigenen Kulturen, in denen Entscheidungen gemeinschaftlich getroffen und Erfahrungen reflektiert wurden. Auch heute hat sich diese Methode bewährt, um Gemeinschaft zu stärken, Konflikte zu klären und tieferes Verständnis füreinander zu entwickeln.

Ich habe diese Praxis sehr genossen und auch wir bei The Female Explorer nutzen dieses Tool in eigener Form schon seit unserer Gründung 2020: unsere Feel Good Time. Zeit für Verbindung – connecting – von beruflichen und privaten Themen. Ein wertungsfreier Raum, der uns schon immer als Team gestärkt hat. Und auch mit meiner Tramily auf dem PCT hatten wir eine ähnliche Praxis: Jeden Abend bewerteten wir den Tag, indem wir ihm einen Song- oder Filmtitel gaben.

Mein Ziel ist es, genau solche Räume auch für Menschen zu schaffen, mit denen ich draußen unterwegs sein werde. Vielleicht ja auf unseren Female Explorer Community Camps?

Camping-Romantik im eisigen Februar

Ich als Outdoor-Guide
Meine Erwartungen?

Dass dieses Seminar zuletzt an der Reihe ist und der Ausbildung das „Krönchen“ aufsetzt, ergibt total Sinn. Denn nachdem wir in den ersten beiden Seminaren unsere Outdoor-Basics erweitert und vertieft, diese auf einer gemeinsamen Trekkingtour nochmals umgesetzt und gefestigt haben und beim Erste-Hilfe-Modul schon in die Themen Notfall- und Krisenmanagement eingestiegen sind, hat man jetzt schon einen ziemlich guten Überblick über die eigenen Fähigkeiten und Themen.

Ich weiß über mich, dass ich noch nicht soweit bin, schöne Camps mit Lagerfeuer zu organisieren, ohne extra Brennholz mitzunehmen, weil der Umgang mit Axt und Säge noch ewig dauert und ich noch nicht sicher bei der Totholz-Suche bin. Ich kenne auch bei weitem noch nicht genug Vogelarten, um ganz viel Naturwissen vermitteln zu können. Und für alpine Mehrtagestouren wäre ich als Guide noch viel zu unerfahren im Gelände und wahrscheinlich wären meine Teilnehmer:innen fitter und schneller als ich. Ist das schlimm? Absolut nicht! Wildniszeit zu zelebrieren, schöne Momente auf Tagestouren und Mini-Camps zu gestalten – das kann ich! Und gerade da war diese Ausbildung so so wichtig. Wissen, wo ich stehe, wo ich hinmöchte und worauf es wirklich ankommt.

»Welche Art von Guide möchte ich eigentlich sein? Wo liegen meine Outdoor-Stärken? Wieviel Raum möchte ich den persönlichen Themen meiner Teilnehmer:innen geben?«

Diese Fragen stellte ich mir im Seminar. Grundlage für die Leitung von Erlebnissen ist es, dass mein Angebot zu meinen Fähigkeiten und meinem Wissen passt. Dass ich somit alles sicher geplant habe UND Puffer für Überraschungen, Prozesse oder Krisen habe. Das geht nur, wenn ich weiß, wo ich persönlich stehe. Und wenn ich einen Leitungskompass verinnerlicht habe, wie den, den mir Jens und Bettina beigebracht haben.

Outdoor-Guide Ausbildung
Kleines Fazit

Leadership in der Outdoor-Guide-Ausbildung bedeutet weit mehr als das Planen von Touren. Es geht darum, Gruppen sicher zu führen, soziale Prozesse zu begleiten und mit Krisensituationen kompetent umzugehen. Wer diese Verantwortung übernimmt, sollte sich der unterschiedlichen Ebenen bewusst sein und Werkzeuge wie Redekreis und Council nutzen, um eine starke Gemeinschaft zu fördern.

Mit diesem letzten Modul schließt sich der Kreis der Outdoor-Guide Ausbildung – und ich fühle mich so erfüllt von Impulsen und Themen, die ich unbedingt noch weiter entdecken möchte! Dabei hat mich die Zeit nicht nur mit Neugier zurückgelassen, nein, ich fühle mich in meinen Fähigkeiten gestärkt. Ich traue mir mehr zu, ich konnte einige inneren Blockaden lösen (während der Ausbildung habe ich zum ersten Mal ganz allein im Wald übernachtet!) und habe eine Plan und Info-Pool für kommende Touren und Abenteuer.

»Aber noch mehr:
Ich habe einen Kreis von Menschen gefunden, mit denen ich eine Sprache spreche. Einen Kreis, in dem wir uns gegenseitig unterstützen und der immer bereit ist für Outdoor und Abenteuer!

Danke auch an Pauli, die sich auf diese wilde Reise eingelassen hat und mit der ich dieses Kapitel teilen darf.«

Die Ausbildung bei Jens und Bettina von der Waldläufer Wildnisschule empfehle ich von Herzen. Sie vermitteln nicht nur die nötigen Fähigkeiten, um mit mir und mit Menschen draußen unterwegs zu sein, wie ich einen sicheren Rahmen schaffe und mich um die körperlichen Befinden kümmere, sondern auch wie ich auf die individuelle inneren Prozessen, die wir alle in uns tragen, acht gebe.

Über die Autor:in

Sarah Muehl

Die Wildnis hat Sarah aka Woodstock 2022 auf dem PCT lieben gelernt. Seitdem versucht sie mit allen Mitteln ihre ausgeprägte Wanderlust zu stillen. Bei The Female Explorer ist sie als Creative Director für wilde Ideen und ihre Umsetzung verantwortlich und scheut sich dabei auch nicht vor Bühnen, Kameras und Mikrofonen.

Wilder
Warenkorb
Shopping cart0
Es sind keine Produkte in deinem Warenkorb!
0
nach oben