Nepal Trekking – Mit Papa zu den höchsten Bergen der Welt


Zoe WeissText

Gerd HeidornFotos

Wie es zu unser gemeinsamen Nepalreise kam? Ich meinte, Papa hätte es mir letztens erst am Esstisch vorgeschlagen. Er hingegen sagt, ich spreche schon seit Jahren davon. Ob die Idee einer gemeinsamen Nepal Trekking Tour nun vor ein paar Monaten am Esstisch oder Jahre zuvor entstand, wissen wir nicht. Ist auch nicht so wichtig. Wie das mit Geschichten so ist, können sie unterschiedlich erlebt und erzählt werden. Als mein Vater Gerd und ich im Oktober 2023 für drei Wochen in Nepal waren, sind wir dieselben Wege gegangen, haben unzählige gemeinsame Erinnerungen geteilt und dennoch eine ganz eigene Sicht auf die Reise. Und das ist die meine.

»Ich bin mir sicher,
dass uns das Erlebte nachhaltig prägen wird. «


Tsum Valley
Nepal Trekking durch das Tal des Glücks

Endlich los – Aus dem Bett ins Forellenbecken 

Endlich ging es los! Nach einer langen, holprigen Fahrt von Kathmandu nach Khorlabesi, gefolgt von einer erholsamen Nacht, konnte ich es kaum erwarten, loszulaufen. Und auch Papa war ganz übermütig. Etwas zu übermütig – vermutlich. Als er um 6:30 Uhr das Zimmer verließ, kehrte er 30 Sekunden später pitschnass zurück. Er war beim Balancieren ins Forellenbecken gefallen. Als wir fertig gelacht hatten, war auch die Kleidung wieder trocken und nun ging es wirklich “Endlich los!”.

Wasser sollte uns auch die nächsten Tage begleiten: Entlang des reißenden Budhi Gandaki über schwindelerregende Hängebrücken, durch tropische Wälder und malerische Dörfer führte unser Weg ins Tsum Valley – das Tal des Glücks. Fernab der Zivilisation und von den Lehren des Buddhismus geleitet führen die Bewohner:innen im Tal des Glücks ein einfaches, naturverbundenes Leben. Und auch wir schätzten uns glücklich: Da unser Guide Ang im Tsum Valley aufgewachsen war, erhielten wir seltene Einblicke in deren Alltag. 

Teatime mit Dolker 

Wir aßen Kartoffeln bei Angs Schwester, trafen seinen Onkel auf dem Feld, schliefen im Stall seines Bruders und in der Lodge seiner guten Freundin Dolker. Meine Begegnung mit der Wirtin des Tsum Valley Cottage in Chhokangparo zählt zu den wertvollsten, die ich beim Nepal Trekking machen durfte. Während mein Vater seinen täglichen Spaziergang antrat und fotografierte, setzte ich mich zu Dolker in die Küche, wo sie mir ihre Geschichte erzählte: Damals Nonne in Kathmandu, heute dreifache Mutter und alleinige Managerin der Unterkunft. Ihr Mann war auf dem Weg nach Frankreich, um Geld für die Familie zu verdienen. Wann die beiden sich wiedersehen würden, war ungewiss. Vielleicht in ein, zwei, fünf Jahren. Ich war baff, wie sie trotz ihres für mich harten Alltags eine unglaubliche Lebensfreude ausstrahlte. 

»Mir ist langweilig, erzähl mir was«

Voll an Eindrücken durch das mit jedem Schritt schöner werdende Tal traten wir den Rückweg an. Wie das beim Bergablaufen oft so ist: Es zog sich! Da mein Vater und ich eher schweigsame Wegbegleiter sind, versuchte Ang erst mit Musik, dann mit »Zoe, erzähl mir was!«, seiner wachsenden Langeweile entgegenzuwirken. Erzählen kann ich, Fragen stellen noch besser. Zurück am Eingang des Tsum Valleys wusste ich also nicht nur, wie unser Guide seinen Alltag gestaltet, sondern auch, wie traditionell in Nepal um die Hand einer Frau angehalten wird. 


Tsum Valley &

Manaslu Circuit

Tour-Facts

Dauer 16 Tage Strecke ca. 255 km bergauf 12.250 m bergab 9.500 m Höchster Punkt Larke Pass, 5.106 m Startpunkt Khorlabesi Ziel Dharapani Schwierigkeitslevel mittel-schwer komoot-Route Nepal Trek 2023


Manaslu Circuit
Nepal Trekking um das Manaslu-Gebirgsmassiv

Bereits auf den ersten Metern des Manaslu Circuits begegneten wir viel mehr Menschen als in den vergangenen Tagen. Ich war gespannt, wie sich der zweite Teil unserer Nepal Trekking-Tour gestalten würde. 

Astrid Lindgren wäre stolz auf Papa 

Da wir uns langsam an die Höhe herantasteten, erreichten wir unser Etappenziel oft bereits am frühen Nachmittag. Anfangs wäre ich am liebsten weitergegangen, um meine körperlichen Grenzen zu spüren, doch schnell gewöhnte ich mich an das gemütliche Tempo. Die restliche Zeit des Tages verbrachte ich mit Lesen, Schreiben, Spazieren, Musik hören. Mein Vater hingegen konnte gefühlt stundenlang nichts tun. Einfach dasitzen und vor sich hinschauen. Das beeindruckte und verunsicherte mich zugleich. 

»Und dann muss man ja auch noch Zeit haben,
einfach da zu sitzen und vor sich hin zu schauen.«

Astrid Lindgren

All you need is Lho 

Durch einen jahrhundertealten Wald und ein darauf folgendes lichtes Tal führte unser Weg nach Lho, wo wir zum ersten Mal einen Blick auf den majestätischen Manaslu (8.163 m) werfen durften. Überwältigt von seiner Imposanz hefteten sich meine Augen an den weißen Riesen, bis dieser sich in eine Wolkendecke hüllte und verschwand.

»Das war er also – der Moment, für den ich tausende Kilometer geflogen und die letzten Tage gelaufen bin.
Ein wahr gewordener Traum.«

In the mountains is the money 

Traumhaft waren auch die nächsten Etappen: schneebedeckte Berge, kristallklare Seen, wildlebende Yaks – genau so hatte ich mir den Himalaya ausgemalt. Womit ich allerdings nicht gerechnet hatte, war der gehobene Standard der Lodges. »In the mountains is the money«, hatte Ang uns zwar bereits verkündet, aber ein solcher Luxus (Zimmer mit bequemen Betten, Steckdosen und europäischen Toiletten) überraschte mich dennoch. So richtig genießen konnte ich den Komfort nicht, er stand im Kontrast mit der umliegenden, wilden Natur und vermutlich auch mit meiner wilden Seite, die ich außerhalb meiner Komfortzone erwartete.  

Wer bin ich? Und was mache ich hier? 

Außerhalb meiner Komfortzone sollte ich dann doch bald geraten. Spätestens in Dharamsala spürte ich die Höhe – es war nicht mehr nur die Aussicht, die mir den Atem raubte. Das auf knapp 4.500 m gelegene Camp war die letzte Station vor der Überquerung des Larke Pass, dem höchsten Punkt bzw. Höhepunkt des Manaslu Circuits. Um der Kälte zu trotzen, versammelten sich die Wandernden in Aufenthaltscontainern. Ich gesellte mich zu einer Gruppe Franzosen, die Wer bin ich? spielten. Eine Frage, die ich mir auch oft stelle. An diesem Abend fragte ich mich aber vor allem eines: Was mache ich hier eigentlich? 

Ice, ice, eiskalt! 

Um 3:45 Uhr klingelte der Wecker: Rein in die im Schlafsack vorgewärmte Kleidung und raus in die eisige Kälte. Bei -15 °C ging es Schritt für Schritt bis zum Larke Pass (5.100 m). Dabei führten wir anfangs eine Art Intervall-Training durch: vorbei an langsamen Gruppen, Verschnaufpause, Überholen, Verschnaufpause. Nach und nach verteilten sich die vielen Menschen und wir konnten unser eigenes Tempo gehen.  

Die Nacht war sternenklar und die langsam aufgehende Sonne ließ die Berge in goldenem Licht erstrahlen. Als wäre das noch nicht genug, bot uns die Natur noch ein weiteres Schauspiel: Bei einem nahegelegenen Gletscher löste sich eine Lawine und bauschte sich mächtig vor uns auf. Als die Schneewolken näher kamen, mischte sich in meine Faszination ein kurzer Moment der Sorge. »Muss ich Angst haben?«, fragte ich meinen Vater. »Nein, nein, die ist weit genug weg«, besänftigte er mich. Und das bisschen, was ich von ihr zu spüren bekam, fühlte sich fast wie eine Streicheleinheit an. Fast! 

Geschafft! – 5.000 meter über dem Meer

Und dann hatten wir es geschafft: Zwischen wehenden Gebetsfahnen stand das Schild des Larke Pass. Wir hatten die 5.000er-Grenze überschritten, doch das erwartete Hochgefühl stellte sich nicht ein – schon da? Mein Körper hätte mich gefühlt mühelos noch weiter nach oben getragen. Letzten Endes war es vermutlich besser so, denn die verbleibende Kraft und Ausdauer konnte ich beim stundenlangen bergab gehen gut gebrauchen. 


Nepal Trekking
Diesem Ende wohnt ein Zauber inne 

Mit der Passüberquerung neigte sich unser Nepal Trekking dem Ende und auch ich war mit den Gedanken wieder näher an Zuhause. Eine warme Dusche, Me-Time, meine Freund:innen – die Liste der Dinge, auf die ich mich freute, war lang. Doch am meisten freute ich mich auf eins: Die vielen Eindrücke der letzten Wochen zu verarbeiten und wirken zu lassen.  

Zurück im Alltag fühlt sich alles wie ein Traum an. Weit weg und doch ganz nah. Ich bin zutiefst dankbar für die Reise mit meinem Vater. Ob und wie sich unsere Beziehung durch die Reise verändert hat, kann ich heute schwer greifen, doch ich bin mir sicher, dass uns das Erlebte nachhaltig prägen wird.




Trinken: Es gibt zwar überall Trinkwasser in Flaschen zu kaufen. Der Umwelt und den schleppenden Mauleseln zuliebe empfiehlt sich, einen Filter oder Tabs dabei zu haben, um Wasser in mitgebrachte Flaschen zu füllen.

Schlafen: Vor allem der Manaslu Circuit ist mit zahlreichen Unterkünften ausgestattet. Je nachdem, ob euch nach Ruhe oder Gesellschaft ist, könnt ihr größere Dörfer oder Siedlungen auf dem Weg ansteuern. Dafür am besten mit dem Guide Rücksprache halten.



Side Trips: Zur Akklimatisierung können verschiedene Side Trips geplant werden. Im Tsum Valley haben wir das Kloster Mu Gompa besichtigt und auf dem Manaslu Circuit einen Abstecher zum Birendra See gemacht. Mit etwas mehr Zeit lohnt sich eine Besichtigung des Manaslu Base Camps.

Grüßen: Je nach Kultur variiert die Grußformel! Während im Tsum Valley das tibetische Tashi Delek genutzt wird, hört man während des Manaslu Circuit vorwiegend das nepalesische Namasté.

Auch Alix von Melle findet das Gipfelglück im Himalaya und hat im Jahr 2017 den 8.163 m hohen Manaslu bestiegen. Erfahrt mehr zu einer der erfolgreichsten deutschen Höhenbergsteigerinnen im Artikel Höhenbergsteigen – Marmot-Athletin Alix von Melle im Portrait und lest, warum für sie die Berge auch nach persönlichen Schicksalsschlägen ihr Kraftort bleiben.

Habt ihr schon mal ein außergewöhnliches Outdoor Abenteuer mit einem Elternteil erlebt? Erzählt uns von euren Erfahrungen in den Kommentaren!

Über die Autor:in

Zoe Weiss

Aufgewachsen im Allgäu musste Zoe die Heimat erst verlassen, um die Berge lieben zu lernen – und kann heute nicht genug von ihnen bekommen.

Wilder
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