Lessons from the Trail – 7 Tipps zum Fernwandern


Teresa TeklićText / Fotos

Als relativer Neuling im Fernwandern habe ich erst drei Mehrtagestouren gemacht, immer gleich mit Zelt und kompletter Ausrüstung: den Kandelhöhenweg (Schwarzwald), eine Inselquerung auf Madeira und den Peaks of the Balkans (Südbalkan). Drei von drei Touren habe ich abgebrochen oder ungeplant unterbrochen. Aus meinen persönlichen Erfahrungen habe ich 7 Tipps zum Fernwandern für euch zusammengestellt.

1Vergleicht euch nicht mit anderen

Nummer 1 unter den Tipps zum Fernwandern gilt euch und eurer (körperlichen) Selbsteinschätzung: Lasst euch nicht davon irritieren, wie schnell oder weit irgendeine andere Person gehen kann. Mein Wanderpartner diesen Sommer war ein 1,95 m großer Mann, der schon den GR20 auf Korsika – den „härtesten Wanderweg Europas“ – gegangen ist. Ich bin eine 1,68 m große Frau. Und auf den GR20 kann ich in diesem Leben gut verzichten. 

»Ich finde es grundsätzlich toll, dass Frauen heutzutage genauso stark sein dürfen wie Männer. Wenn ich mich dann aber selbst unter Druck setze, genauso schnell, stark oder belastbar sein zu müssen wie der Mann neben mir, der eine ganz andere Physis hat, verderbe ich mir jedoch selbst den Spaß.« 

Dasselbe gilt für Vergleiche mit anderen Frauen. Dass eine andere Frau eine Tour mal „ohne Probleme“ gegangen ist, sagt wenig bis gar nichts darüber aus, ob auch ich die Tour ohne Probleme gehen kann. Ich weiß nicht, wie fit sie ist, wie viel Gewicht sie tragen kann oder wie oft sie so etwas schon gemacht hat.

Tipps zum Fernwandern No. 1: Jeder Körper und jeder Mensch ist anders. Deswegen ist meine eigene Leistung der einzig sinnvolle Vergleichswert für mich. Ich schaue, wie viele Kilometer oder Höhenmeter ich schon mal gegangen bin, und überlege, wie sehr mich das angestrengt hat. Davon ausgehend kann ich meist gut einschätzen, ob ich die nächste Tour leichter oder schwerer plane. 

2Erwartungshaltung klären: Was braucht ihr?

Körperliche Belastbarkeit ist aber nicht alles. Mindestens genauso wichtig ist für mich ein Gefühl von Gemeinschaft. Ich kann viel aushalten, solange ich das Gefühl habe, nicht allein zu sein. Die Blasen tun nur halb so weh und der Regen ist nur halb so nass, wenn ich zu zweit darüber fluchen kann.

»Geteiltes Leid ist eben halbes Leid, das gilt für mich auf dem Trail noch mehr als im „normalen“ Leben.«

Das geht aber nicht allen so, wie ich auf meiner letzten Tour gelernt habe. Mein Begleiter ist schon viel solo gewandert. Für ihn war der Trail in erster Linie ein Kampf mit sich selbst, ein Spiel mit den eigenen Grenzen. Dadurch fühlte ich mich manchmal allein und beneidete andere Gruppen, die in ihrer Gemeinschaft selbst an harten Tagen untereinander Trost zu finden schienen. Das alles wusste mein Begleiter jedoch nicht.

Tipps zum Fernwandern No. 2: Für längere Touren in Gemeinschaft würde ich deswegen in Zukunft solche grundlegenden Erwartungen klären. Dabei geht es nicht um richtige oder falsche Bedürfnisse – alle haben dieselbe Berechtigung. Sie zu kennen und zu kommunizieren kann aber helfen, Missverständnisse zu vermeiden. 

3Heiß, müde, Hunger – Stressoren sinnvoll begrenzen

Die meisten Fernwanderungen sind anstrengend. Und die meisten Leute gehen sie nicht nur trotzdem, sondern gerade deswegen. Dass Thruhiking Leiden bedeutet, wissen wir spätestens seit sich Reese Witherspoon als Cheryl Strayed in einer ikonischen Filmszene ihren großen Zehennagel ausreißt, der ihr beim Wandern mit zu kleinen Schuhen abgestorben ist. Aber wir sind nicht alle Cheryl Strayed und im echten Leben leidet es sich viel unangenehmer als auf der Leinwand. Deswegen der Rat: Überlegt euch realistisch, bei welchen Strapazen ihr noch Spaß habt. Oder anders gesagt: Sucht euch eure Stressoren sinnvoll aus. Denn auf dem Trail kommen viele Sachen zusammen: körperliche Schmerzen durch die ungewohnte Belastung, andere Ess- und Schlafgewohnheiten, fehlende Toiletten und Körperhygiene, ein fremdes Klima, womöglich eine fremde Sprache. Ich kann theoretisch ganz gut mit all diesen Herausforderungen umgehen – aber nicht mit allen auf einmal. 

Tipps zum Fernwandern No. 3: Wenn ihr eine körperlich sehr anspruchsvolle Tour geht, aber im Zelt schlecht schlaft – nehmt euch eine Unterkunft! Wenn ihr wisst, dass ihr Muskelschmerzen gut ertragt und auch im Zelt prima schlaft, aber für die gute Laune unbedingt ausreichend gutes Essen braucht – plant damit, jeden Tag irgendwo einzukehren! Es ist kein Zeichen der Schwäche. Ihr habt am Ende immer noch hunderte von Kilometern und tausende von Höhenmetern geschafft. Umgekehrt bringt es nichts, wenn ihr euch aus dem Zwang, möglichst hart sein zu wollen, übernehmt und – wie ich – fast jede Mehrtagestour abbrechen oder unterbrechen müsst. 

4Apropos Stressoren: Immer Luft nach oben lassen

Eine wichtige Ergänzung zum letzten Punkt: Ich würde nicht schon in der Planung von einer maximalen Stressbelastung ausgehen, sondern lieber etwas „konservativer“ planen. Das kann heißen, vielleicht nicht zehn Tage hintereinander eine Streckenlänge zu planen, die ihr gerade so schafft. Denn es passieren immer Dinge, die ihr nicht einberechnet habt. Es gewittert und ihr müsst euch unterstellen. Ihr menstruiert und kriecht nur im halben Tempo über den Trail, schmerzgebeutelt und Ibuprofen-schluckend. Ihr verlauft euch mehrfach oder werdet von Mücken zerstochen oder etlichen Fliegen tyrannisiert.

Tipps zum Fernwandern No. 4: Wenn ihr eine Auslastung von zwei Dritteln plant – setzt hier einen beliebigen Wert ein – habt ihr immer noch ein Drittel Luft für die Mücken und die Mens bis ihr bei geht-gar-nicht-mehr angekommen seid. Wenn ihr von vornherein mit 100 % – das-kann-ich-gerade-so-gehen plant – hab ihr keinen Spielraum mehr für ungeplante Zwischenfälle. 

5Plan B: Was, wenn einer ausfällt?

Auf meiner letzten, zehntägigen Tour wurde mein Wanderpartner schon am zweiten Tag krank und musste Ruhetage einlegen. Was für mich ein Riesenproblem war, denn: Allein weitergehen wollte ich eigentlich nicht. Das fing damit an, dass mein Begleiter einen Teil unserer gemeinsamen Ausrüstung trug, und hörte damit auf, dass ich etwaigen Bären nicht alleine begegnen wollte. Er hätte mir zwar das Camping-Equipment mitgegeben, um mich dann auf einer späteren Etappe wiederzutreffen. Mein Rucksack war aber bereits bis zum Limit gepackt, sowohl was das Packvolumen anging als auch das Gewicht, das ich mir zumuten wollte.

Tipps zum Fernwandern No. 5: Hier kann es sinnvoll sein, grundsätzliche Fragen im Voraus zu klären. Gibt es einen Plan B? Kann und will ich allein weitergehen, wenn meine Begleitung ausfällt? Solche Entscheidungen unterwegs zu fällen, wenn ihr müde, hungrig und durstig seid, kann extrem belastend sein. 

6Lebensretter SIM-Karte: Gönnt euch Internet

Als EU-Bürgerin habe ich mich daran gewöhnt, im Ausland problemlos mein Handy zu nutzen, ohne horrende Roaming-Gebühren zu zahlen. Selbst als ich letztes Jahr auf Madeira war, musste ich mir darüber keine Gedanken machen. Das letzte Mal war ich zwar geografisch in Europa unterwegs – dem Kosovo, Albanien und Montenegro – „Easy“, dachte ich – aber die Länder des Balkans gehören im Gegensatz zu Madeira (Portugal) leider nicht zur EU. Der Schreck war groß, als wir an Tag eins schon versehentlich 50 € Roaming-Gebühren verprassten. Eine SIM-Karte wollten wir nicht kaufen, weil wir dachten, das sei zu kompliziert (Adresse, Perso, Pipapo). Eine Woche später wussten wir es besser: Eine SIM-Karte zu bekommen, war einfach und günstig gewesen. Keine SIM-Karte zu haben, hatte uns hingegen viel unnötigen Stress verursacht. Wir konnten uns, als wir getrennt waren, nicht gut zusammenfinden, kein zusätzliches Kartenmaterial checken, das wir nicht schon vorher heruntergeladen hatten und vieles mehr.

Tipps zum Fernwandern No. 6: Digital detox würde ich nicht mit Reisen kombinieren, auf denen ihr im Gelände navigieren, die Wetterlage im Auge behalten, kurzfristige Unterkünfte buchen oder mit Mitreisenden kommunizieren müsst. Darum: Gönnt euch Internet.

7Abgeschiedenheit hat ihren Preis: Etappen überspringen is’ nicht

Viele Menschen begeben sich tage- und wochenlang auf abgelegene Wanderwege, weil sie allein sein wollen. Mal rauskommen – je naturbelassener, desto besser. Dieser Wunsch ist nachvollziehbar, aber Alleinsein hat seinen Preis.

»Wo keine Straßen hinführt und kein Bus fährt, kommt ihr in der Regel auch nicht mehr gut weg – außer eben zu Fuß.«

Keine Bushaltestelle weit und breit in Sicht.

Wenn ihr also krank werdet, euch verletzt oder zur Regeneration einen zero – einen Tag, an dem ihr gar keine Kilometer macht – braucht, habt ihr ein Problem. Denn auf den meisten Fernwanderwegen könnt ihr nicht einfach eine Etappe überspringen. Entweder ihr macht am Tag darauf die doppelte Strecke, was nicht immer realistisch ist, vor allem, wenn ihr die Pause wegen körperlicher Erschöpfung eingelegt habt. Oder ihr verteilt die Extra-Etappe gleichmäßig auf alle folgenden. Das bedeutet unter Umständen aber viel logistischen Zusatzaufwand und ist nicht immer machbar, etwa weil sich Unterkünfte oder Essgelegenheiten nicht beliebig euren neuen Plänen anpassen. Wenn es gar keine andere Möglichkeit gibt, müsst ihr eventuell einen größeren Umweg in Kauf nehmen, zur nächsten Autostraße wandern, trampen oder einen Bus erwischen – wenn es einen gibt –, euch in die Nähe des nächsten Etappenziels fahren lassen und wieder auf den Trail zusteigen. Schön ist das alles nicht. 

Tipps zum Fernwandern No. 7: In der Planung würde ich fest damit rechnen, dass ich wirklich die gesamte Strecke gehen kann und will, statt darauf zu spekulieren, vielleicht mal einen Tag auszulassen. Alternativ würde ich mir vorher schon sinnvolle Abkürzungen anschauen, die es auf manchen Trails ja durchaus gibt. Zudem würde ich immer Puffer- und Ruhetagen einkalkulieren. Nicht bei einer 3-Tagestour mit insgesamt 50 km, aber definitiv bei einer 10-Tagestour mit 190 km. 

Tipps zum Fernwandern – Fazit

Fernwandern ist ein großartiges, Horizont erweiterndes Hobby. Um mir den Spaß daran nicht zu verderben, musste ich allerdings ein paar wichtige Lektionen lernen. Allen voran, dass ich nicht über Nacht zu einem völlig anderen Menschen werde, nur weil ich einen Fuß auf den Trail gesetzt habe. Lieber: Schritt für Schritt herantasten an das große Abenteuer. Es kommt schneller, als man denkt.

Teresa hat ihr Fail Trail Story samt Erfahrungen aus dem Sommer im Südbalkan auf dem Female Explorer Online-Magazin mit euch ebenso geteilt. Lest selbst in ihrem Artikel „Die verfluchten Berge“ – Fernwandern auf den Peaks of the Balkans, welche Strapazen sie und ihren Freund schlussendlich nach wenigen Tagen zum Abbruch geführt haben.

Was sind eure besten Tipps zum Fernwandern? Teilt sie in den Kommentaren!

Über die Autor:in

Teresa Teklić

Teresa ist noch relativ neu im Outdoorgame. Als Stadtkind hat sie erst in ihren Zwanzigern Wandern, Zelten und Klettern für sich entdeckt. Jetzt tastet sie sich an immer längere Fernwanderungen heran.

Wilder
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