
Röcke zu Routen! Die Geschichte von Outdoor-Kleidung für Frauen
Heutzutage sind Frauen aus dem Outdoor-Sport ─ sei es Bergsteigen, Wandern oder Radfahren ─ nicht mehr wegzudenken. Umso verrückter erscheint es, dass sie sich erst seit ca. 100 Jahren überhaupt ohne hinderliche Kleidung in der Natur sportlich betätigen können. Denn, lange Zeit galt vor allem eines: Konventionen über Funktionalität. Lange Zeit war es undenkbar, dass Frauen etwas anderes am Körper trugen, als lange Röcke und Kleider. Bis zu unseren heutigen Wander-Shorts oder anatomisch passenden Rucksäcken war es ein holpriger Weg ─ aber die Geschichte der Outdoor-Kleidung für Frauen ist auch eine emanzipatorische.
In unserer Magazin Ausgabe No. 7 haben wir intensiv die Geschichte und Entwicklung der Outdoor-Kleidung für Frauen beleuchtet. Reist mit uns einmal 200 Jahre durch die Zeit und lest was unsere Vorfahrinnen und die frühen Heldinnen des Outdoor-Sports erlebt, durchlitten und für uns erkämpft haben ─ die heutige Freiheit uns überall draußen frei bewegen zu können!
1800
Anstand und Konventionen machten es den ersten bergsteigenden Frauen schwer
Auch als 1808 die erste Frau, Marie Paradis, den Mont Blanc bestieg, tat sie das in einem Wollkleid mit zahlreichen Unterröcken, dünnen Schuhen und Schleier ─ in ständiger Gefahr, damit hängenzubleiben oder hinabgeweht zu werden. Die Berge, die Natur und das Wetter stellen alle vor Herausforderungen, aber für Frauen wurde es durch die gesellschaftlichen Regeln noch schwerer gemacht. Auf das Tragen von „unangemessener Kleidung“ (wozu Hosen und Beinkleider jeder Art zählten) drohte im 19. Jahrhundert nicht nur schlechte Reputation, sondern auch Strafe, ja sogar Gefängnis.
Die frühen Alpinisten und Alpinistinnen trugen bei ihren Touren die normale Winterkleidung ─ für Männer war dies zweckmäßig, für Frauen äußerst schwer und hinderlich. Auch in der kalten Jahreszeit durften Frauen nur viele Röcke übereinander tragen, anstatt sich mit langen Unterhosen zu kleiden. Gesundheitliche Folgen, wie Erfrierungen, Blasenentzündungen und sogar Unfruchtbarkeit konnten die Folge sein. Deswegen forderten immer mehr Ärzte das Tragen von „Beinkleidern“ – also langen Unterhosen, auch für Frauen.
1850-1870
Hinderliche Outdoor-Kleidung der frühen Alpinistinnen
Zwischen 1850 und 1875 wurde das Bergsteigen immer populärer, aber an die Alltagstracht gebunden, war es für die Frauen nicht nur hinderlich, sondern auch lebensgefährlich. Die weiten Kleider und Röcke konnten an Ästen, Steinen und Felsen hängen bleiben, sie boten eine viel größere Angriffsfläche für Wind und Sturm, die zu tödlichen Stürzen in die Tiefe führen konnten. Obwohl es gefährlich war, scheuten fast alle frühen Alpinistinnen davor zurück, ihre traditionellen Frauengewänder abzulegen. Hosen waren undenkbar. Erst langsam setzte sich neue funktionalere Outdoor-Kleidung für Frauen durch. Ab den 1870er Jahren konnte mit dem „variablen Kostüm“ der Überrock mit Knöpfen „gekürzt“ und bei Bedarf wieder auf sittliche Länge heruntergelassen werden. Eine achtbare Frau hatte kein Bein zu zeigen, auch keinen Knöchel.
1880-1890
Die ersten mutigen Frauen legen ihre Kleider ab
In den 1880er Jahren begannen mutige Frauen dann immer öfter, ihre Überröcke vor dem Einstieg in die Wand abzulegen (z. B. Lizzie Le Blond, siehe Trailblazing Women – Abenteuerinnen vergangener Zeiten). In Hütten oder unter Felsen deponiert, gingen die Frauen im kurzen Flanellunterrock, Strümpfen und Unterhosen in die Berge und holten sich beim Abstieg das Kleid wieder ab ─ schließlich musste man im Tal wieder sittlich gekleidet sein! Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts sagten sich einige Vorreiterinnen von den Kleiderkonventionen los. Fay Fuller, Bezwingerin des Mt. Rainier, wählte ein ähnliches Kostüm, wie Henriette d’Angeville 50 Jahre zuvor. Lange Pumphosen unter einem verkürzten Rock und dazu derbe Stiefel. Auch berühmte Bergsteigerinnen aus dieser Zeit, wie Fanny Bullock-Workman, trugen noch bis ins beginnende 20. Jahrhundert Röcke über den Hosen und Beinwickeln.
1900-1910
Bergsteigerinnen tragen praktischere Männerkleidung in den Bergen
Um die Jahrhundertwende änderte sich die Outdoor-Mode für Frauen endgültig. 1901 trug Mabel Rickmers eine männliche Tracht zum Bergsteigen: ein schlichter Hosenanzug aus Kniehose und kurzer Jacke aus strapazierfähigem Stoff, Wanderstiefel und Kniestrümpfe. Zu dieser Zeit wurde auch das Radfahren immer populärer ─ in den gängigen Kleidern und Röcken war das jedoch gefährlich, beim Auf- und Absteigen verhedderten sich die Damen und die Säume blieben in den Speichen hängen. Es wurde allgemein dafür plädiert, dass Damen beim Radfahren Hosen tragen und somit etablierte sich der erste Sport, bei dem Hosen, Hosenröcke oder zumindest Rock-Hosen-Kombinationen für Frauen zur Normalität wurden. Das führte auch zu immer weniger Anstoß an „Beinkleidern“ für Frauen im Allgemeinen, wodurch sich auch im Bergsport die Hose für Frauen immer mehr durchsetzen konnte.
1923: Drei Frauen in typischen Wanderkostümen.
1920
Outdoor-Kleidung für Frauen wird endlich funktionell und flexibel
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts verkauften nun auch Modegeschäfte „Sport- oder Touristenkostüme“ von der Stange. Diese variablen Damenkostüme waren für eine Vielzahl von Outdoor-Sportarten geeignet, z. B. fürs Wandern, Skifahren, Bergsteigen oder Jagen. Die bewegungsfreundliche Mehrzweckkostüme waren aus robustem und wärmenden Stoffen, und fast immer mit Beinkleidern und abnehmbaren Überröcken ausgestattet. Durch die Frauenbewegung in den 20er Jahren wurde es immer gängiger, Frauen in Hosen zu sehen ─ zunächst beim Radfahren, dann auch bei anderen Outdoor-Sportarten. Weibliche Sportkleidung näherte sich immer mehr der männlichen an und kopierte sie, wo es nur ging.
1896: Die französische Radrennfahrerin Marie Tual in typischer Fahrradkleidung mit Bloomerhosen.
1930-1940
Hosen ja, aber bitte feminin!
In den 30er und 40er Jahren waren Hosen in der Frauensportbekleidung bereits ein Muss. Die Emanzipationsbewegung hatte Frauen immer mehr Freiheiten und Rechte verschafft. Kleider oder Röcke, um den Anstand zu wahren, waren beim Sport nicht mehr nötig. Die Funktionalität stand im Vordergrund, jedoch wurde wieder versucht, eine optisch deutliche Abgrenzung zu männlicher Sportbekleidung vorzunehmen. Volants, Hosenröckchen und weibliche Kurven betonende Schnitte waren (wohl vor allem den Männern) wichtig, um die Damen von den Herren bei der Sportausübung optisch zu unterscheiden.
1950
Frauen sind eben nicht nur „kleine Männer“
Die Entwicklung des Outdoor-Equipments speziell für Frauen ging in den letzten 100 Jahren aber nur schleppend voran. Viel zu lange dauerte es, dass die Bergsportausrüster erkannten, dass Frauen eben nicht nur „kleine Männer“ sind. Erst Ende der 50er Jahre erschien der erste Bergsteigerrucksack für Frauen von Deuter ─ ein revolutionäres Produkt, das sich an der weiblichen Anatomie orientierte.
© deuter.de
1960
Gibt’s das auch in Pink?
In den 1960er Jahren gewannen Outdoor-Aktivitäten wie Camping, Wandern und Klettern an Popularität. Frauen trugen nun, wie die Männer, Hosen und Jacken, die speziell für diese Aktivitäten entwickelt wurden. Gleichsam stiegen die Verkaufszahlen von Sportbekleidung für Frauen stetig an. Jedoch gab es selten eine spezielle Produktentwicklung für Frauen. Es wurde frei nach dem Motto „SHRINK IT AND PINK IT“ gehandelt: Kleidung, die von Männern für Männer entworfen wurde, wurde lediglich verkleinert und in Rosa oder einer stereotypisch femininen Farbe angeboten.
Jeans waren die bevorzugte Wahl für Wanderaktivitäten, bevor es speziellere Funktionskleidung gab.
1980
Anpassungen an die weibliche Anatomie und mehr technische Materialien
In den 1980er Jahren wurden die ersten atmungsaktiven Materialien für Outdoor-Kleidung entwickelt (Gore-Tex) und bei beiden Geschlechtern eingesetzt. Die Outdoor-Kleidung für Frauen war aber oft weniger robust und funktional als die für Männer und bot weniger Taschen und andere praktische Funktionen. Auch die Auswahl für Frauen war eingeschränkter als die für Männer. Erst seit den 1990er Jahren kamen auch bei Outdoor-Kleidung für Frauen mehr technische Materialien zum Einsatz, die Schnitte wurden an die weibliche Anatomie angepasst und die Auswahl größer.
Heute
Outdoor-Kleidung für Frauen im Wandel
Heutzutage gibt es eine breite Palette an Ausrüstung und Outdoor-Kleidung für Frauen, die sowohl funktional als auch modisch ist. Viele Unternehmen haben erkannt, dass Frauen eine wichtige Zielgruppe für ihre Produkte sind und bieten spezielle Linien für Frauen an. Langsam fruchtet bei den Herstellern auch der Gedanke, dass Produkte, die vorher als unisex verkauft wurden, unterschiedliche Konstruktionen für Männer und Frauen benötigen. Die Hersteller von Campingmatten und Schlafsäcken erkennen mittlerweile zum Beispiel an, dass die meist geringere Körpergröße und niedrigere Körpertemperatur von Frauen kleinere Matten und Schlafsäcke erfordern, die an breitere Hüften und schmalere Schultern angepasst sind und mehr Isolierung um die Körpermitte benötigen.
Anspruchsvolle Outdoor-Gear vergisst die Frauen immer noch zu oft
Trotz einer positiven Entwicklung in den letzten Jahren ist es schockierend, wie viele Produkte für Frauen immer noch nur in Pink oder ähnlichen Farben erhältlich sind oder dass viele Features, die bei Männerprodukten vorkommen, immer noch oft gänzlich fehlen. Vor allem im sehr technischen Bereich sind Frauen oft dazu gezwungen, weniger gut passende Männer-Produkte zu kaufen. Einige Hersteller verwechseln Frauenausrüstung sogar mit „Anfängerausrüstung“ ─ die Produkte sind oft weniger optimiert und technisch weniger leistungsfähig.
»Und so ist alles, was von Männern abweicht, offensichtlich anders, und oft geht es darum, dass Frauen nicht so stark sind. Dann bekommst du eine verwässerte Version.«
Jen Gurecki (CEO Coalition Snow)
Überholte Stereotypen in der Outdoor-Industrie
Im Outdoor-Bereich werden nach wie vor die meisten Produkte von und für Männer entwickelt, einfach weil sie sich besser verkaufen. Doch wenn wir uns die neuesten Zahlen ansehen, wonach 51% der Käufer in diesem Bereich Frauen sind, dann liegen viele Firmen mit ihrer Politik falsch. Es ist also an der Zeit, dass die Hersteller sich noch stärker an die Bedürfnisse ihrer Kundinnen anpassen.
»We need our clothing to be ultra functional,
Kate Worteck in Health (2016)
not ultra feminine.«
Der immer noch vorherrschende Rosaton der Outdoor-Kleidung für Frauen ist ein Überbleibsel der Einstellungen von vor über 100 Jahren: dass Frauen weniger in der Lage sind, in der Wildnis zurechtzukommen und dass sich die Frau optisch von einem Mann unterscheiden sollte. Diese überholten Einstellungen müssen von noch mehr Outdoor-Ausrüstern überwunden werden.
Übrigens: Als die Autorin im letzten Sommer nach leichten Wanderschuhen suchte, fand sie leider keine ohne rosa Details. Sie trägt sie, weil sie bequem sind ─ aber sie hasst Pink.
Welche Erfahrungen habt ihr mit Outdoor-Kleidung und Equipment gemacht? Schreibt es uns in die Kommentare!