Freiheit im Fahrtwind – Meine Erfahrungen als Rennrad-Anfängerin


Milena SchellerText / Fotos

Als ich 2019 zum ersten Mal auf einem Rennrad saß, ahnte ich bereits, dass das der Weg zu einer echten Leidenschaft werden wird. Ich möchte von einer ehrlichen Reise zur Rennradliebe erzählen – von meinen Erfahrungen als Rennrad-Anfängerin, die genauso holprig waren wie die gefahrenen Wege und das Abenteuer, das mich nicht nur auf´s Rad, sondern auch zu einer neuen Freiheit, einem neuen Körpergefühl und in die Natur geführt hat – und gespickt mit genügend Herausforderungen war.

Die ersten Meter – von der Neugier auf den Sattel

Ich arbeitete eine Zeit lang in einem Fahrradladen, und dort fielen mir die Rennradfahrer:innen immer besonders auf. Diese Menschen – zumeist Männer – erschienen mir oft unnahbar und hatten eine eigenwillige Beziehung zu ihren Rennrädern. Es war, als ob sie Teil eines exklusiven Clubs wären, den ich nur von außen betrachtete. Mir kamen damals zum ersten Mal die Fragen, die ich mir ab und zu auch noch heute stelle:

»Wo sind denn eigentlich die Frauen auf der Straße? Wo sind die Frauen, die mit derselben Leidenschaft unterwegs sind, aber ohne sich dem ständigen Leistungsdruck und Vergleich hinzugeben? Wo sind eigentlich die Anfänger:innen und all jene, die einfach nur die Freude am Fahren genießen wollen?«

Und genau das war der Moment, in dem mein Wunsch nach einem Rennrad geboren wurde. Ich wollte mir die Straßen zurückerobern und idyllische Rundwege entlang von Seen und Flüssen entdecken – fernab von Leistungsoptimierung und Ego.

Ausstattung und Komfort – Was brauche ich als Rennrad-Anfängerin?

Ich erinnere mich noch gut, wie ich mich vor ein paar Jahren zaghaft in den Dschungel aus Scheibenbremsen, Aero-Lenkern und Ergometern wagte und genauso schnell wieder aufgeben wollte, weil sowohl mein Budget als auch mein Verständnis für den Optimierungszwang eines von mir freizeitlich gewählten Sports gesprengt wurden. Als Studentin war mein Geldbeutel klein, und die Überforderung mit dem Zubehörangebot erst einmal groß. Doch sehr schnell wurde mir klar: Der Spaß kommt beim Fahren und nicht beim Kaufen!

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Anfangs brauchte ich ein Rennrad – das war schnell gebraucht gekauft. Und was ich mit viel Trial and Error herausgefunden habe: einen wirklich passgenauen Sattel. Ein kleiner Teil des Rades, der sehr viel Komfort ausmacht und entscheidend dafür war, wie viel Zeit ich auf dem Rad verbringen wollte. Dazu habe ich mir noch ein paar stabile Schuhe, einen Helm und eine Sonnenbrille gegriffen und schon konnte es losgehen.

Zwischen Wind, Po-Schmerz und Zweifel

Ich – allein mit mir und dem Rad, der Straße und dem frischen Wind um meine Nase, so hatte ich es gedacht. Doch der ständige Vergleich mit anderen, deren Tempo und High-Tech-Carbon-Räder sowie die fehlende Informationsquelle für frauenspezifische Fragen waren mein ständiger Begleiter. Wie weit? Wie schnell? Wie teurer? Viele Fragen und Unsicherheiten, die mich ständig begleiteten. Ein Reifenwechselprofi war mit mir auch nicht gerade vom Himmel gefallen. So musste ich mir Stück für Stück ein Verständnis für mein Rad und die Streetcodes des Bikens erarbeiten. Gegenseitige Rücksichtnahme, Voraussicht, Grüßen und sich nicht von Autofahrer:innen unterkriegen lassen – all das, was zum gemeinsamen Fahren wichtig ist.

Doch was mich anfangs am meisten beschäftigte, war mein Hintern. Der schmerzte ziemlich schnell, und so gehörte auch bald eine gepolsterte Bibshort zu meiner Ausrüstung, gefolgt von einem aerodynamischen Trikot sowie einer Klingel und Klickpedalschuhen. Auch eine Sportbrille wurde Teil meiner Ausstattung, um die Fahrt noch angenehmer zu gestalten und mich vor Wind, Wetter und Insekten zu schützen. Meine Ausrüstung heute ist immer noch – im Vergleich zum Angebot im Rennradbereich – minimal und darauf ausgerichtet, dass ich mich sicher und angenehm auf der Straße bewegen kann. Es gibt Sachen, die ich einfach nicht brauche und vermutlich auch nie brauchen werde.

Freiheit auf zwei Rädern: Mein Weg jenseits von Klischees

Rennradfahren, Roadbiken oder Straßenvelo – mich auf den Sattel zu schwingen, habe ich als Einstieg in einen eher männerdominierten Sport empfunden. Beim Radeln um den heimischen See begegnete ich oft dem Klischee: Ü40-Männer auf sehr teuren Carbon-Rädern, die stur ihre Tour durchziehen und nicht grüßen. Eine Frauencommunity, die meine Sattelprobleme versteht und mir ein Gefühl der Zugehörigkeit vermittelte, fehlte mir anfangs.

»Dennoch fühlte ich auf dem Sattel eine unglaubliche Freiheit. Während viele Einsteiger:innen-Tipps sich auf den Vergleich von Ausstattungen konzentrieren, ist Rennradfahren für mich so viel mehr als das. Es geht darum, den Kopf auszuschalten und den Moment zu genießen, seine eigene Muskelkraft mit der Schönheit der umliegenden Natur zu verbinden. Die Schuhe ein- und den Kopf ausklicken.«

Ich habe erkannt, dass es beim Radfahren in erster Linie um mich geht – meinen Spaß und mein Wohlbefinden. Also machte ich mich auf den Weg und begann meine Reise auf zwei Rädern, die mich auch zur Überwindung meines Egos führte. Die Auseinandersetzung mit mir selbst in einer Welt des Vergleichs zeigte mir, dass die Bewertung, gerade im Radsport, schon lange Tradition hat. Und ich aber genau dabei nicht mitmachen wollte.

Die nett formatierten Bilder vom Radsport auf Instagram in meinem Kopf wurden schnell ausgetauscht durch die Realität: Klebriger Schweiß so ziemlich überall, schlechte Wege, auf denen man nur Schrittgeschwindigkeit fahren kann und dreckige Schienbeine von staubigen Straßen. Meine Leidenschaft für das Auf-dem-Sattel-Sitzen wurde dadurch nicht geschmälert, aber den Blick für die Realität offen zu halten, ist manchmal wichtig – gerade als Rennrad-Anfängerin.

In der Fahrradszene vernetzen sich Sportler:innen und Rennradfahrer:innen zunehmend über digitale Plattformen. Das bietet gerade für Frauen eine großartige Möglichkeit, Teil einer Gemeinschaft zu werden oder eigene Netzwerke aufzubauen.

Online vernetzen – Offline gemeinsam radeln

Hier können in lokalen Radgruppen Touren getrackt, Erfolge gefeiert und gemeinsame Ausfahrten geplant werden.

Wenn ihr es urbaner mögt und ein politisches Statement zur Radinfrastruktur setzen möchte, findet ihr bei Critical Mass und deren Navigations-Plattform Critical Maps Gleichgesinnte, die sich für sicherere und fahrradfreundlichere Städte engagieren.

Die Komoot App ist ideal, um Touren und Vorschläge mit Freund:innen zu teilen. Für Anfänger:innen und erfahrene Radfahrer:innen gleichermaßen bietet Komoot eine vielfältige Auswahl an Routen.

Frauenfokussierte Rad-Communities

@femalecyclingforce – Eine Rennrad Community von Frauen mit Basis in München.

@thewomenallride – Tolles Kollektiv für mehr Sichtbarkeit, Gleichberechtigung und Diversität beim Fahrradfahren.

@cyclitsccCyclits Cycling Collective – Ein Netzwerk aus Frauen auf dem Rad, die sich für Empowerment und Gleichberechtigung einsetzen.

Diese Netzwerke können den Einstieg in die Fahrradwelt erleichtern und dabei helfen, ein Gemeinschaftsgefühl zu kreieren. Wir brauchen mehr starke strampelnde Frauen, um zu zeigen, dass Radfahren nicht nur ein Solo-Abenteuer sein muss, sondern auch ein verbindendes Erlebnis sein kann.

Praktische Tipps für Einsteiger:innen

Kleine Ratschläge mit großer Wirkung

  • Grüßen: Beim Radfahren unbedingt andere Rennradfahrer:innen grüßen – ein kleiner Handgruß oder ein Finger nach oben schafft eine freundliche Atmosphäre.
  • Bargeld: Ein wenig Bargeld für eine Kugel Eis einzustecken, kann den Tag verschönern.
  • Begriffe: Man muss sich und den Radsport nicht zu ernst nehmen. Liebevolle Wortneuschöpfungen wie „Popohose“ für Bibshorts, „Tourenbrezel“ für Rennradlenker und „Klickklack-Schuhe“ für Radschuhe lockern das Miteinander in der Fahrradszene ungemein auf.
  • Sichtbarkeit erhöhen: Helle oder reflektierende Kleidung, besonders bei Fahrten in der Dämmerung oder bei schlechtem Wetter machen euch auf der Straße sichtbarer. Ein Licht am Rad ist ebenfalls ein Must-Have.
  • Verpflegung: Unbedingt eine Flasche Wasser und einen kleinen Snack dabei haben. Auch bei kurzen Touren solltet ihr auf eure Verpflegung achten.
  • Regelmäßige Pausen: Haltet gerne auch einmal an, um die Umgebung zu genießen!
  • Technik-Basics lernen: Lernt grundlegende Fahrrad-Reparaturtechniken wie das Wechseln eines Reifens oder das Anpassen der Gangschaltung. Das gibt Sicherheit, und kann euch viel Stress in brenzlichen Situationen ersparen. 
  • Sicheres Bremsen lernen: Klingt banal, ist aber wichtig. Nutzt beide Bremsen (vorne und hinten) gleichmäßig, um ein sicheres Abbremsen zu gewährleisten. Besonders bei Nässe und in Klickschuhen ist kontrolliertes Bremsen wichtig.

Mit Klickschuhen auf der Überholspur – mein Fazit als Rennrad-Anfängerin

Meine Reise vom Newbie zur begeisterten Rennradfahrerin war geprägt von Herausforderungen, kleinen Erfolgen und der anhaltenden Furcht, nie einen Reifen wechseln zu können. Letztendlich habe ich gemerkt, dass alle auf dem Sattel die gleiche Leidenschaft teilen, unabhängig von Tempo oder Technik. Diese Erkenntnis, gepaart mit der Verbindung zu anderen Frauen auf dem Rad hat bei mir sehr den Druck herausgenommen.

Mit meinen ehrlichen Erlebnissen möchte ich euch ermutigen, euren eigenen Weg auf zwei Rädern zu finden, die Freiheit des Rennradfahrens zu genießen und Teil einer unterstützenden, weiblichen Community zu werden. Jeder Tritt in die Pedale bringt euch ein Stück näher zu euch selbst und zu einem neuen Abenteuer.

Weitere spannende Abenteuer rund ums Rad findet ihr auf dem Female Explorer Online-Magazin in der Kategorie Bikepacking.

Wie habt ihr eure Reise auf zwei Rädern begonnen und was hat euch am meisten geholfen, in die Radwelt einzusteigen? Teilt eure Erfahrungen mit der Community in den Kommentaren!

Über die Autor:in

Milena Scheller

Milena ist eine leidenschaftliche Drahteselzähmerin, die mit jeder Kurbelumdrehung ihre Liebe zur Natur und zum draußen Sein feiert. Sie teilt am liebsten ihre Momente in der Natur beim Radeln, Wandern und Stargazing – immer mit einer Portion Mikrofeminismus.

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