
Abenteuer Finnland ─ Winter in Nordkarelien
Ein Besuch des Weihnachtsmanndorfes in Rovaniemi, eine Tour mit dem Rentier-Schlitten und mit etwas Glück tanzende Nordlichter am Nachthimmel ─ so oder so ähnlich stellen sich die meisten Urlauber:innen ihr Finnland-Abenteuer im Winter vor. Mich zog es jedoch nicht ins Winterwonderland Finnisch Lappland, sondern in eine weit unbekanntere Region: Nordkarelien. Inmitten endloser Wälder und Seen arbeitete ich zwei Monate als Doghandler und Guide auf der Eräkeskus Wilderness Lodge ─ und erlebte einen Winter für Fortgeschrittene.
Als Husky-Gespannführerin
entlang der russischen Grenze
Ohrenbetäubendes Gebell und Geheul, man versteht kaum das eigene Wort. Alles muss zügig gehen, so kurz vor Start der Gespanne, sonst reißen Leinen und Geschirre. Die Hunde drehen fast durch vor Aufregung, etwas nervös halten sich die Gäste an ihren Schlitten fest. Ich tausche einen kurzen Blick mit meinem Kollegen und nicke ─ wir lösen Schnee-Anker und Sicherungsseile und ein lautes „Ready? Go!“ gibt den Leithunden das Kommando, um endlich loszulaufen. Als sich auch das letzte Gespann auf dem schmalen Trail einfädelt, schlägt der Lärm in absolute Stille um, nur das Hecheln der Hunde und das Knirschen des Schnees unter den Kufen sind noch zu hören. Mein liebster Moment.
ready? go!
Es ist die fünfte Husky-Farm, auf der ich als Doghandler und Guide für Hundeschlittentouren arbeite, aber die erste in Finnland. Mir gefällt es hier. Das Trailnetz ist weitläufig, es gibt moderate Anstiege und herausfordernde Abfahrten, technische Abschnitte durch enge Baumreihen und entspannte Etappen über gefrorene Seen. Meine Highlights sind aber die Wildnis-Hütten, die uns auf Mehrtagestouren als Unterkunft dienen und auch inmitten finnischer Wildnis einen gewissen Komfort ermöglichen.
Backcountry-Loipen und
Gassi auf Langlaufski
Ich habe mir mit Mitte November bis Ende Januar die dunkelste Zeit des Jahres für mein Abenteuer in Finnland ausgesucht, doch die Lichtstimmungen sind faszinierend. An klaren Tagen scheint die Sonne stundenlang auf- oder unterzugehen und taucht die verschneite Landschaft in verträumte Pastelltöne, an trüben Tagen ruhen Wälder und Seen in eisigem Grau, Weiß und Schwarz. Meine Freizeit nutze ich oft, um auf Ski die Umgebung zu erkunden, wobei mich meine Siberian-Husky-Hündin Maya am Bauchgurt durch die weite Landschaft zieht. Backcountry-Ski würden mir noch mehr Wege ermöglichen, doch auch mit meinen klassischen Langlaufski kann ich viel entdecken ─ überall in Finnland gibt es zahlreiche Loipen, die entweder privat oder kommunal präpariert werden und für jede:n kostenfrei zugänglich sind.
Navigation im Winter
Ein Abenteuer für sich
Es ist das erste Mal, dass ich den Winter umgeben von gefrorenen Seen erlebe – und ich liebe es, da sich die Landmasse quasi verdoppelt und man plötzlich einfach in jede Richtung gehen kann. Hier liegt allerdings auch der Haken: Vor allem an grauen Tagen kann man schnell die Orientierung verlieren! Im Labyrinth aus Seen, Wäldern und Sumpflandschaften wäre ich ohne GPS oft verloren gewesen, denn trüb und verschneit sieht jede Bucht, Insel und Böschung ähnlich aus. Die eigene Position dauerhaft zu tracken, frisst in der Regel zu viel Akku, der bei zweistelligen Minusgraden zügig an seine Grenzen kommt.
Apps, die ich in Finnland täglich genutzt habe:
- Topo GPS: Navigationsapp, sehr genaue Karten, die man für offline Nutzung speichern kann, die meisten Loipen/Motorschlittentrails/Lavvus (Schutzhütten) und Feuerstellen sind eingezeichnet
- FMI: die finnische Wetter-App hat sehr differenzierte Symbole und Unterteilungen für alle möglichen Arten von Schnee/Schneeregen/Eis etc. und recht gute Vorhersagen
- Aurora App: übersichtliche App zur Nordlicht-Aktivität, sendet auf Wunsch Push-Benachrichtigungen, falls am Standort eine hohe Nordlicht-Wahrscheinlichkeit auftritt
Es gilt:
Umgebung beobachten und im Kopf markante Punkte notieren, Position regelmäßig checken und dann das Handy schnell wieder körpernah verstauen!
Abenteuer Finnland
Ausflüge in Nordkarelien
Bei meinen Ausflügen in die Umgebung musste ich lernen, dass auf meine Lieblings-Wander-App Komoot hier leider wenig Verlass ist und man selbst etwas mehr Aufwand in die Routenplanung investieren sollte. Viele Wege führen durch Sumpfgebiete: im Sommer gibt es meist Holzstege, im Winter sind diese jedoch verschneit und schwer zu finden. Ohne Schneeschuhe versinkt man schnell knietief im Schnee oder aber watet durch halbgefrorene Sumpflandschaften ─ das langsame Vorankommen kann schnell die Tagesplanung crashen und vermeintlich einfache Wanderungen schweißtreibend und mühsam machen.
Winter-Touren in der Umgebung von Lieksa
- Ruunaa-Nationalpark: Ein wunderschöner Nationalpark mit gut ausgebautem Wegesystem, bekannt für Wildwasser-Kayak, Stromschnellen und zahlreiche Hängebrücken.
- Koli-Nationalpark: Der Koli ist ein 347 m hoher Berg am See Pielinen, der sich trotz seiner bescheidenen Höhe deutlich über die Umgebung erhebt und spannende Wanderwege bietet.
- Eisstraße zum Koli: Der Besuch des Koli lässt sich im Winter mit dem Befahren der längsten Eisstraße Finnlands (7 km) verbinden ─ ein echt spezielles Gefühl!
- Änäkäinen Naturschutzgebiet: Eines der vielen idyllischen Naturschutzgebiete Nordkareliens ─ ein Paradies für Schneeschuh-Enthusiast:innen mit zahlreichen Kotas und Grillstellen.
Besonders wichtig:
Genug Zeit einplanen! Schnee und Kälte sorgen immer wieder für Überraschungen. Daher immer mindestens eine Stirnlampe dabei haben und akkuschonend aufbewahren, da es bereits am frühen Nachmittag dunkel wird!
Achtung:
Eine Besonderheit gefrorener Seen ist der sogenannte Overflow. Milde Temperaturen, ein absinkender Wasserspiegel oder aufsteigende warme Quellen können dazu führen, dass sich Wasser zwischen der Schneedecke und der Eisschicht eines Sees sammelt. Das kann gruselig wirken, in der Regel befindet sich darunter aber immer noch eine meterdicke Eisschicht. Overflow erschwert jedoch das Vorankommen und kann für nasse Füße sorgen ─ auch auf Ski oder Schneeschuhen!
Karhunpolku – Der Bärenpfad
Der Karhunpolku ist einer der schönsten und vielseitigsten Wanderwege Nordkareliens. Er führt auf etwa 133 km durch die finnische Wildnis rund um Kuhmo, nahe der russischen Grenze. Die Landschaft wechselt zwischen dichten Kiefern- und Fichtenwäldern mit faszinierenden alten Baumbeständen, zahlreichen Seen und Flüssen und teilweise felsigem Gelände mit schönen Aussichtspunkten. Der Weitwanderweg wird meist im Sommer und Frühherbst begangen, im Winter lädt er jedoch zu einem Abenteuer auf Tourenski oder mit Schneeschuhen ein.
Meine Winter-Abenteuer-Fehler
- auf einer Tageswanderung bei schlappen -10 °C habe ich kein Wintergas eingepackt ─ somit blieb mein Erbseneintopf leider kalt
- Müsliriegel und Snacks immer körpernah verstauen ─ sie waren im Rucksack gefroren und mussten erst in meinem Sport-BH wieder auftauen, bevor ich sie schwerfällig mampfen konnte
- meine Powerbank habe ich ausversehen im Auto gelassen und musste in der Dunkelheit die letzten zwei Stunden auf dem Bärenpfad ohne Handy auskommen, da der volle Akku von jetzt auf gleich leer war ─ ein unangenehmes Gefühl!
Das Tolle:
Es gibt viele frei zugängliche Lavvus (Schutzhütten) und Feuerstellen entlang der Strecke, die in der Regel mit einem großen Holzvorrat, Axt und Grillrost ausgestattet sind. Nach dem geltenden Jedermannsrecht ist aber auch Wildcamping erlaubt. Der Name kommt allerdings nicht von ungefähr – in der Region leben viele Braunbären! Auch Wölfe, Luchse, Elche und Vielfraße können mit etwas Glück gesichtet werden.
Die Finnen wissen, was sie tun
Unterwegs mit HALTI
Bei Temperaturen von -10 °C bis -30 °C ist Layering ganz besonders wichtig, um in anstrengenden Phasen nicht zu überhitzen und bei Pausen nicht auszukühlen! Der finnische Outdoor-Ausstatter HALTI hat mich bei jeder Aktivität mit einem durchdachten Outfit überzeugt und bewiesen, dass die Finnen die Witterungs- und Arbeitsbedingungen im eigenen Land am besten verstehen.
abenteuer finnland
warm bleiben
- Tornio Winterschuh ─ Hält richtig warm, ohne globig zu sein und hat mir auch bei Overflow trockene Füße bewahrt. Das weiche Obermaterial wird bei Schneeschuhtouren leider schnell von den Riemen und Schnallen angegriffen.
- Pihka II Merinowoll-Set ─ Klassiker und Allrounder, denn kein Winter-Abenteuer funktioniert ohne ein gutes Merino-Wool-Baselayer! Auch auf Hütte bequem, blickdicht und hübsch anzusehen.
- Pallas Warm Hybridhose ─ Warme, wasserdichte und atmungsaktive Shell-Hose, perfekt für aktive Touren in Herbst und Winter.
- Huippu Daunenjacke ─ Bequem geschnittene Daunenjacke, die mich auf allen Wanderungen begleitet hat, oft als Toplayer, manchmal als Pausen-Überwurf ─ nur bei pfiffigem Windchill war eine zusätzliche Shell-Jacke notwendig
- Bergga Parka ─ Absolutes Must-Wear bei Temperaturen unter -20 °C! Die rippenartig-gefüllte Innenjacke isoliert extrem gut, das Obermaterial ist wind- und wasserdicht und trotzdem angenehm flexibel. Viele Taschen, langer Schnitt, Bündchen und große Kapuze ─ mein Top-Pick, egal ob Schlittentour oder Stadtbummel!
- Worker Hose ─ Dick gefütterte Arbeitslatzhose mit integrierten Kniepolstern, Fleece-Muff zum Händewärmen und vielen Taschen. Hat mich als Alltagsarbeitshose bei keinem Einsatz im Stich gelassen!
»Die Finnen kennen ihren Winter am besten
─ und welche Ansprüche er stellt.«
Finnland hat weit mehr zu bieten, als das touristische Lappland: Auch in Regionen wie Nordkarelien laden tief verschneite Wälder, wunderschön-wilde Trails und eine unübertroffene Outdoor-Infrastruktur mit zahllosen Kotas und Lavvus zu einem unvergesslichen Winter-Abenteuer ein. Egal ob auf Tourenski, Schlittenkufen oder Schneeschuhen ─ hier findet jede:r sein persönliches Winterwonderland.
Wart ihr auch schon mal in Finnland unterwegs und habt eine ganze besondere Abenteuer-Erinnerung? Schreibt sie in die Kommentare!