»Basically, bikepacking opens doors and hearts!«

Ana Zamorano über ihre Solo-Reise auf zwei Rädern

Ana Zamorano ist Filmemacherin und Fotografin aus Nordspanien. In den letzten zwei Jahren hat sie sowohl Südamerika als auch den Südkaukasus allein auf dem Fahrrad durchquert und auf dem Weg besondere Kultur-Begegnungen, aber auch Unverständnis für ihre Art zu Reisen erlebt. Im Interview erzählt sie uns, was Bikepacking für sie so besonders macht und warum ihrer Meinung nach viel mehr Frauen einfach solo losradeln sollten.

*Dieses Interview wurde auf Englisch geführt. Die Original-Version findet ihr in unserem Magazin, Ausgabe 02.

Ana in Salar de Uyuni, Bolivia.

Ana, du reist jetzt schon seit zwei Jahren mit deinem Fahrrad um die Welt – wann hast du entschieden, dass es Zeit war deine Sachen zu packen und loszuradeln?
A Es ging los, als ich 2018 meinen Job gekündigt und mich endlich auf die Reise nach Südamerika begeben habe. Am Anfang war es sehr anstrengend, aber mein Körper gewöhnte sich schnell an die Routine und das Gewicht, welches ich jetzt jeden Tag bewegen musste. In den ersten Tagen war mein Adrenalin so hoch und ich so euphorisch, dass ich immer ein Lächeln im Gesicht hatte – auch wenn es weh tat! Ich freute mich so sehr darauf, die verschiedenen Länder besser kennenzulernen und die Welt ganz neu wahrzunehmen.

Die Vielfalt Lateinamerikas hat mich immer motiviert. Dort gibt es immer noch ein paar abgeschiedene und unberührte Gebiete, wo dich nur der Wind und die Landschaft umgeben. Ich habe mich wie ein winziger Punkt auf der Erde gefühlt.

Ana Zamorano

Mir fehlen immer noch die Worte, um die Vielfalt und den Reichtum zu beschreiben, der sich für mich hinter jedem geradelten Kilometer fand. Angefangen beim Wind und den wilden Landschaften Patagoniens, zu den Wüsten im nördlichen Chile und Argentinien, die Hochebene in Bolivien und die Gebirgspässe in Peru, eines der größten Eisfelder der Welt und, natürlich, der Amazonas!

Warum hast du dich fürs Bikepacking entschieden?
A Ich liebe es, mit dem Fahrrad zu reisen! Es ist langsamer als der öffentliche Nahverkehr, aber schneller als zu Fuß unterwegs zu sein. Auf dem Rad habe ich den perfekten Rhythmus, um alles was ich sehe auch wahrzunehmen. Seit ich das Bikepacking angefangen habe, begannen auch die Menschen vor Ort mich anders zu behandeln, als auf meinen Backpacking-Reisen. Vom ersten Moment an haben sie mich wie einen Teil ihrer Familie behandelt, und ich denke, ich weiß warum: es geht um das Fahrrad an sich!

Fahrräder gibt es in jeder Community auf der Welt und oft sind sie die einzige Transportmöglichkeit neben dem Weg zu Fuß. Für mich ist das Fahrrad ein Schlüssel, um mich bei einer ländlichen Gemeinschaft vorzustellen. So habe ich es auch in den Anden, Iran und im Kaukasus getan. Die Menschen sehen mich dann nicht als reiche Ausländerin, sondern einfach als Reisende – also haben sie ihre Türen und Herzen für mich geöffnet!

Worin besteht für dich die Magie, solo zu reisen?
A Als Frau allein zu reisen ist immer noch sehr besonders und wird einfach noch nicht so häufig gesehen. Die Männer auf meinen Reisen haben mich immer willkommen geheißen, aber die gemeinsame Zeit mit den einheimischen Frauen gab mir die Möglichkeit, auf meine Art zu reisen. Ich habe jetzt überall eine „Mama“ und ich habe wirklich auch das Gefühl, sie haben mich als ihre Tochter angesehen. Leider gibt es noch sehr viele Länder, in denen Frauen und Männer in der gleichen Gemeinschaft und im gleichen Haus leben, jedoch separate Regeln, eigene Bereiche und unterschiedliche Pflichten haben. Als bikepackende Europäerin hatte ich immer die Möglichkeit, beide Welten kennenzulernen.

Auf meinen Reisen wurde ich von so vielen Familien aufgenommen und besonders in muslimischen Ländern wird man besonders schnell ins Haus eingeladen: es beginnt immer mit einem gemeinsamen Tee, dann etwas Essen und danach wird ein Schlafplatz angeboten. Und so lernt man diese beiden Bereiche unter einem Haus besonders gut kennen: die Räume der Männer, wo ich Tee mit ihnen getrunken haben und die Küche, wo nur Frauen und Kinder erlaubt sind. Für mich war es immer etwas ganz besonderes, die Frauen zu treffen, denn sie wussten ja, dass ich aus einem anderen Land und einer anderen Realität kam und hatten so viele Fragen, Zweifel und Geschichten zu erzählen.

Eine Solo-Reise erlaubt dir, genau das zu machen, was du gerade tun möchtest. Nicht jeder hat Lust, so oft anzuhalten und so viele Einladungen von Einheimischen anzunehmen. Für mich sind diese Momente aber die Highlights meiner Reise und der Grund, warum ich abgelegene Tracks aussuche.

Ana Zamorano

Es erlaubt mir außerdem, den Weg mit anderen Radfahrer:innen zu teilen, die ich unterwegs treffe. Es ist die absolute Freiheit. Natürlich vermisse ich es manchmal, bestimmte Momente mit Freunden zu teilen, aber allein unterwegs zu sein gibt mir die Möglichkeit, neue Menschen überhaupt kennenzulernen. Auf meiner Reise hat mich ein Schweizer für fast vier Monate begleitet, ein paar Wochen waren ein Australier und ein Brite meine Gefährten, ein paar Tage war ich mit Mexikanern und Argentiniern unterwegs… es ist einfach unglaublich, wieviel man voneinander lernt, wenn man eine gemeinsame Leidenschaft hat: das Fahrradfahren!

Hast du jemals deine Entscheidung, allein unterwegs zu sein, hinterfragt oder warst unsicher, ob du weiterhin solo reisen möchtest? Wie gehst du mit solchen Gedanken und Gefühlen um?
A Achtsamkeit und der Glaube an dich selbst sind der Schlüssel, aber du brauchst auch einen starken Charakter und Persönlichkeit. Auch wenn die Angst immer da ist, denke ich immer auch realistisch. Ich habe niemals meine Solo-Trips hinterfragt, aber natürlich waren da Momente in denen ich mich gefragt habe, warum ich das mache. Zum Beispiel während eines Sturms in den armenischen Bergen, im Schneesturm in Perú oder an einigen nebligen und super kalten Tagen in Ecuador. Aber die Sonne kommt immer wieder raus und man schaut zurück und denkt: „Ja, das habe ich geschafft!“

Ich habe gelernt, mein Zelt immer fernab von Straßen oder Dörfern aufzubauen oder auch, wie ich mich anziehen sollte – ich trage zum Beispiel keine Shorts mit kurzem Top, auch wenn es sehr heiß ist. Ich weiß auch, dass ich betrunkenen Leuten lieber aus dem Weg gehe und wie ich unangenehmen Situationen entweiche. Man sollte sich selbst vertrauen, immer auf seine Gedanken und Gefühle hören und aufmerksam sein, wenn man sich allein in einer Männergruppe befindet. Ich suche immer den Kontakt zu den Frauen vor Ort und recherchiere schon im Voraus, wie ich mich in einem bestimmten Land verhalten sollte. Es ist ein enormer Unterschied, ob ich als Frau durch Zentralasien oder Lateinamerika reise, oder ob ich in Australien oder Europa unterwegs bin.

Hast du dich jemals in gefährlichen Situationen wiedergefunden? Wie gibst du dir ein sicheres Gefühl, wenn du allein in der Wildnis campst?
A Es gab ein paar Situationen, aus denen ich mich rechtzeitig wieder befreien konnte. Ich denke, als alleinreisende Frau sollte man sich immer bewusst sein, in welcher Situation man sich gerade befindet und besonders aufpassen, wenn Alkohol im Spiel ist. Alles in allem denke ich aber, dass 95 % der Menschen gut und liebenswürdig sind und meine Erfahrungen geben mir allen Grund, das weiterhin zu glauben.

Allein in der Wildnis zu campen benötigt ein paar Wochen Zeit, um sich daran zu gewöhnen. Man stellt sich immer die gefährlichen Geräusche und Situationen vor, die da entstehen könnten, aber schlussendlich ist man doch in der Natur und die Wahrscheinlichkeit, dass wirklich etwas passiert, ist nicht besonders hoch. Halte dich einfach versteckt und bleib entspannt. Nach einer Weile wird es sich großartig anfühlen!

Ana Zamorano

Was denkst du, woher kommen unsere Ängste, solo zu reisen? Wie würdest du andere Frauen dazu ermutigen, ihre Träume zu verwirklichen, auch allein?
A Auf jeden Fall ist es durch unsere Bildung bedingt! Wir Frauen wurden immer mit Angst und viel mehr Sorge herangezogen, als es bei Männern der Fall ist. Das bemerkt man ja auch im Alltag, nicht nur auf Reisen.

Mein Tipp für Frauen, die solo reisen möchten, ist, einfach das Rad zu nehmen und loszuziehen! Lasst euch nicht von den negativen Schlagzeilen in den Medien beeindrucken, folgt einfach eurem Traum und macht, worauf ihr Lust habt! Und wenn noch ein bisschen Selbstbewusstsein dazu fehlt, könnt ihr immer mit einem Mikroabenteuer starten. Beginnt doch einfach mit einer Übernachtung oder einem Wochenende an einem Platz, den ihr gut kennt oder in einem Land, dem ihr vertraut.

Ana Zamorano

Es gibt Facebook Gruppen für Bikepacker:innen, wo wir unsere Meinungen und Ängste teilen oder auch die Routen, die wir gemacht haben, Menstruationsbelange während der Radreise usw. Es ist nicht nur interessant, sondern man kann sich auch mit anderen Frauen vernetzen und Unterstützung erhalten.

Viele Female Travelers werden nach ihrem romantischen und privaten Leben gefragt – warum sie keine Kinder haben oder was ihre Partner davon halten, dass sie allein unterwegs sind. Hast du diese Erfahrung auch gemacht?
A Das ist die häufigste Frage von den Locals auf meinen Reisen! „Wo sind deine Kinder? Und dein Mann?“ Es ist irgendwie schade, dass sie denken, ich könnte nicht allein reisen. Ich scherze dann, dass mein Fahrrad mein Ehemann ist und sich gut benimmt. Die Frauen müssen dann immer lachen!

Ich habe mal eine Visa-Verlängerung in Kurdistan nicht bekommen, weil ich solo in einem „gefährlichen Gebiet“ unterwegs war. Der Polizist sagte: „Ich gebe dir die Monate, die du haben möchtest, wenn du mit deinen Kindern und deiner Familie wiederkommst.“ Das war einer der schlimmsten Tage auf der ganzen Reise für mich, denn ich konnte mich nun in die Frauen hineinversetzen und in die Situationen, von denen sie mir berichtet hatten. Dass sie oft keine Rechte besitzen und nicht einmal lernen dürfen, wie man Fahrrad fährt!

Kannst du uns die Geschichte hinter dem Foto von der kletternden, indigenen Frau erzählen?
A Ich bin Filmemacherin und Fotografin und empfinde diesen Job als Möglichkeit, etwas zu verändern. Storytelling ist immer ein Teil davon. Eines meiner Ziele beim Bikepacking ist es, eine tiefere Verbindung mit den Einheimischen aufzubauen – und als Konsequenz daraus zu lernen und festzuhalten, was ich sehe und empfinde. Ich glaube, dass wir alle unsere eigenen Geschichten auf dem Rücken tragen und in diesen Ländern, wo die Menschen weniger Möglichkeiten haben, ihre eigene Geschichte zu erzählen, gibt es besonders viele erzählenswerte!

So habe ich Dorita getroffen, die kletternde Cholita auf dem Foto. Ein paar Jahre vor meiner Reise las ich von dieser Klettergruppe indigener Frauen in einer Zeitung und dachte, es wäre eine gute Sache, mich mit ihnen in Verbindung zu setzen und sie vielleicht irgendwann in Bolivien zu treffen.

„Cholitas“ sind indigene Frauen in Perú und Bolivien, die eine typische Kleidung tragen, welche von der spanischen Mode von 1920 inspiriert ist, welche damals nach Südamerika gebracht wurde. Der Rock „Pollera“ kann bis zu 10 Lagen haben. Der „Melonenhut“ war ursprünglich ein Accessoire für Männer, komplettiert mit einem Schulterschal „Manta“ jetzt aber das Outfit.

Drei Jahre später war ich dann unterwegs mit Dorita auf den Huayna Potosi Mountain. Zu sehen, wie diese Frauen mit ihren traditionellen Röcken und sehr einfacher Ausrüstung klettern, war eines meiner Highlights, welches ich nie vergessen werde!

Die Aymara Frauen arbeiten als Köchinnen und Helferinnen für Bergsteiger aus aller Welt. Seit sie 16 Jahre alt sind, kümmern sie sich um die Crews, die die höchsten Gipfel Boliviens besteigen wollen. Eines Tages entschieden sie sich dazu, auch auf Spitze zu klettern, jedoch nicht ohne ihre traditionellen Röcke. Denn so wie sie sagen: „Wir sind nichts ohne unsere Röcke!“

Wo geht deine Reise als nächstes hin?
A Ich möchte Asien ausgehend von Kirgisistan durchqueren. Beginnend an der Tien Shan Kette, dem Pamir Highway und Karakorum bis zum südlichen Teil von Indien bis nach Vietnam. Ich kann’s kaum erwarten!

Route-Facts:

  • Erste Route: Patagonien bis nach Mexiko
  • Zweite Route: Iran, Armenien und Georgien (durch den Kaukasus)
  • Totale Fahrrad-Strecke: etwa 25.000 km
  • Höchster Gipfel (zu Fuß): 6.088 m Huayna Potosí – Bolivien
  • Höchster Gipfel (mit dem Rad): 5.050 m in Perú
  • Mit diesem Fahrrad ist Ana unterwegs: ToutTerrain Outback 27.5 mit Pinion Gear + wasserfeste Taschen von Arkel und Oveja Negra

Über die Autor:in

Sarah Muehl

Die Wildnis hat Sarah aka Woodstock 2022 auf dem PCT lieben gelernt. Seitdem versucht sie mit allen Mitteln ihre ausgeprägte Wanderlust zu stillen. Bei The Female Explorer ist sie als Creative Director für wilde Ideen und ihre Umsetzung verantwortlich und scheut sich dabei auch nicht vor Bühnen, Kameras und Mikrofonen.

Wilder
Warenkorb
Shopping cart0
Es sind keine Produkte in deinem Warenkorb!
0
nach oben